Blinder Einsatz
einige Stunden seine Träume genährt hatte. Er bezahlte sein Zimmer und ließ sich ein Taxi rufen.
An der Flughafenbar bestellte er sich ein Bier.
In einer Stunde würde das Finale der WSOP beginnen. Der Sieger würde mit 9,5 Millionen Dollar und allen Ehren nach Hause reisen, die Sander bestimmt nicht zu erwarten hatte.
3
Wenn bei der Geburt die Karten ausgeteilt werden,
zählt der Ort ebenso viel wie das Blatt.
David Mitchell, Chaos
10. Juli, zwischen Paris und Las Vegas
Auf dem Flug nach Las Vegas fragte sich Constance, ob sich der ganze Aufwand auch lohnte. Interpol hatte sie angeheuert, aber sie hatte nur eine vage Vorstellung, auf welche Gefahren sie sich dabei einließ. Und würde sie Hugh dort wirklich finden? Würde sie Unterstützung vor Ort erhalten, wie ihr der Mann von Interpol zugesichert hatte? Sie wusste es nicht. Dennoch war sie fest entschlossen, ihre ganze Berufserfahrung einzusetzen, um möglichst viele Informationen zu bekommen. Vielleicht sollte sie sich sogar direkt an diesen Kevin Durant wenden? Aber was sollte sie ihm sagen? Im Moment hatte sie nicht die geringste Ahnung.
Vor ihrer Abreise hatte Interpol ihr ein Zimmer im Bellagio reserviert, wo die LAN-Party in Anwesenheit von Kevin Durant stattfinden sollte. Das Finale der WSOP lockte zahlreiche Touristen an. Schon im Flugzeug war um Constance herum nur von Casinos, Pokern und Glücksspiel die Rede. Als sie zum ersten Mal den Sunset Strip betrat, wo ein ebenso reges Treiben wie auf der Fifth Avenue oder den Champs-Élysées herrschte, begriff sie, wie gigantisch die Unterhaltungsmaschinerie von Las Vegas war. Ein wahrer Menschenstrom schob sich durch die Straßen, es herrschte ein unglaubliches Gewimmel, das von flackernden Lichtern und einem steten Stimmengewirr untermalt wurde. Constance war müde von der Reise. Daher beschloss sie, ins Hotel zu gehen, um sich etwas auszuruhen. In ihrem Zimmer angekommen öffnete sie die Vorhänge und blickte verwundert auf den Eiffelturm. Doch sie genoss die Aussicht nur kurz und legte sich lieber hin.
Als sie aufwachte, war es bereits Abend, aber dank der glitzernden und blinkenden Lichter fast so hell wie am Tag. Constance machte sich ausgehfertig, um sich die Casinos aus der Nähe anzusehen. Sie wollte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, ob die Leute dort tatsächlich ausgelassen ihrer Spielleidenschaft frönten und Unsummen gewannen und verloren. An der Rezeption holte sie sich das Programm für die nächsten Tage. Sie suchte nach der LAN-Party, die für Sonntag, den 11. Juli, angekündigt war, und stellte fest, dass auch offizielle Vertreter des Weißen Hauses zur Premiere des neuen MGM-Spektakels erwartet wurden – einem hochkarätig besetzten Musical, das im Sezessionskrieg spielte. Constance hoffte, dass Kevin Durant es sich nicht nehmen lassen würde, dort zu erscheinen, denn bei der Gelegenheit war es für sie unverfänglicher, ihn anzusprechen.
Den Abend verbrachte Constance im Casino. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt zu spielen, doch dann beschloss sie, zur Zerstreuung, doch ein paar Dollar zu wagen. Zu ihrem Erstaunen registrierte sie bei sich selbst eine Spielleidenschaft, die sie nie vermutet hätte. Der Gedanke, sie könnte mit etwas Glück in kurzer Zeit viel Geld gewinnen, versetzte ihr einen regelrechten Adrenalinstoß. Im Casino genügt schon ein kleiner Erfolg, um sich auf der Stelle wichtig zu fühlen. Man steht im Mittelpunkt des Interesses, und der Erfolg wird mit bewunderndem Gemurmel, manchmal auch mit Applaus gewürdigt. Der Kick ist fast wichtiger als das Spiel selbst, man empfindet ein eigenartiges Gefühl der Unbesiegbarkeit, glaubt, das Glück zu beherrschen. Natürlich ist das reine Illusion, denn bei jedem neuen Spiel droht der Misserfolg. Augenblicklich ist die Situation auf den Kopf gestellt, und man wird von einer schier wahnsinnigen Verzweiflung erfasst, die in der Frage gipfelt: Warum ist mir das Glück nicht mehr wohlgesinnt? Doch warum es einem vorher hold war, fragt niemand.
Constance verbrachte einige Stunden am Black Jack-Tisch. Obwohl sie keine besondere Technik hatte, funktionierte das Spiel für sie. Als sie vom Tisch aufstand, konnte sie immerhin einen Gewinn von fast 200 Dollar einstreichen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie schon seit drei Stunden spielte. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Sie fühlte sich in dieser Casinoatmosphäre wohl. Alles andere hatte sie vergessen.
Als Nächstes wollte sie sich auch mal im Poker
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