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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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vorstellen, wie sich jemand, praktisch ohne gesehen zu werden, dem Haus nähern konnte, besonders bei starkem Regen. Man parkte irgendwo am Stadtrand, lief über die Brücke, stieg zum Flussbett des Stark River hinunter und spazierte am Fluss entlang zum Gleason-Haus. Dort kletterte man die Böschung hinauf, das Ganze eine Sache von hundert Metern Entfernung und fünfzehn Metern Höhenunterschied. Von den Häusern höher am Hang und von der Stadt kam vermutlich genug Licht, sodass man keine Taschenlampe brauchte.
     
    Als er seinen Rundgang um das Haus beendet hatte, nahm er den Schlüssel aus der Tasche, schloss die Haustür auf und trat ein. Drinnen roch es nach Verbrechensschauplatz, nach dem Zeug, das man benutzte, um Blut zu beseitigen, irgendein Enzympräparat. In der Erwartung, einiges an Staub vorzufinden, trat er in die Stille und ging durch die Eingangshalle, vorbei an der Küche, ins Wohnzimmer.
    Die Couch, auf der Anna erschossen worden war, stand in einer halbkreisförmigen Nische des Wohnzimmers, die wie ein kleines Theater konzipiert war, mit Blick auf den Breitbildfernseher. Das Loch, das die Kugel hinterlassen hatte, befand sich im äußersten linken Rückenpolster direkt neben einem kleinen Tisch, auf dem die Fernbedienung, mehrere Zeitschriften, ein Kreuzworträtselheft, ein Holzbecher mit diversen Kugelschreibern und Bleistiften sowie zwei Bücher lagen. Das war wohl Annas Stammplatz gewesen, dachte er, weil Russells angestammter Platz ein Fernsehsessel aus Leder unter einer Leselampe am anderen Ende der Couch gewesen war. Der Blutfleck auf Sitzfläche und Rücken der Couch war mit dem blutentfernenden Enzym beseitigt worden.
    Der andere weggeschrubbte Fleck befand sich im Eingang zum Esszimmer. Hier waren drei Löcher von den sichergestellten Kugeln im Teppich. Während er dort in der Stille stand, sah Virgil vor sich, wie es passiert sein musste. Sie kannten den Mörder. Anna saß gemütlich an ihrem Stammplatz und hatte sich noch nicht mal die Mühe gemacht aufzustehen. Russell und der Mörder standen beide ziemlich dicht beieinander. Der Mörder zog die Waffe, falls er sie nicht bereits draußen hatte, richtete sie auf Anna und drückte einmal ab. Sie hatte gar nicht erst versucht zu fliehen. Russell drehte sich im gleichen Augenblick um, kam drei Schritte weit und wurde in den Rücken geschossen.
    Doch sie kannten den Mörder, dachte Virgil, sie mussten ihn gekannt haben. Anna hatte mit dem Gesicht zum Fernseher gesessen, als hätte sie sich möglicherweise gar nicht an dem Gespräch beteiligt. Wenn man ihr befohlen hätte, sich hinzusetzen, oder sie dazu gezwungen hätte, hätte sie in den Raum geblickt, wo der Mörder war. Dann hätte sie nicht zum Fernseher geschaut.
    Er sah rasch auf dem Couchtisch nach, ob Anna vielleicht irgendetwas hinterlassen hatte, einen hingekritzelten Namen oder sonst was. Kam sich blöd dabei vor, aber er hätte sich noch blöder gefühlt, wenn er es nicht getan hätte und später etwas entdeckt worden wäre. Nichts. Bei den Büchern handelte es sich um einen Roman von Martha Grimes und um einen schmalen Band mit dem Titel Offenbarung , und er enthielt tatsächlich die Offenbarung des Johannes.
    Virgil zitierte leise für niemanden außer den Geistern: »Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt der Tod; und die Unterwelt zog hinter ihm her …«
     
    Er inspizierte auch den Tisch neben Russells Leselampe, nichts Interessantes. Verließ den Raum, wo die Schüsse abgegeben worden waren, und sah sich den Rest des Hauses an. Vom Esszimmer ging eine kleine Kammer ab, in der Aktenschränke und ein älterer Computer standen. Neben dem Zimmerchen führte ein Flur zu einer großen Gästetoilette und zu drei Schlafzimmern, die alle mit einem kompletten Bad ausgestattet waren.
    Er ging durch das Schlafzimmer der Gleasons und sah sich alles an, ohne etwas zu berühren, und dann in die Küche. Dort war er, als er draußen ein Fahrzeug hörte. Er ging zur Haustür zurück und stellte fest, dass ein Streifenwagen des Sheriffs hinter seinem Auto stand und ein Deputy sein Nummernschild betrachtete.
    Als er auf die Veranda trat, fuhr die Hand des Deputy an seine Hüfte, und Virgil rief: »Virgil Flowers, SKA.« Auf der anderen Seite des Weges, am nächsten Haus den Hang hinunter, sah er einen Mann im Garten stehen, der sie durch ein Fernglas beobachtete.
    »Larry Jensen«, sagte der Deputy. »Ich bin der Hauptermittler des Sheriffs.«
    Jensen war auch einer

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