Blinder Hass
Bericht, doch bei der Einlieferung konnte ein Arzt namens Long nur noch ihren Tod feststellen. Es wurde eine Autopsie durchgeführt, und man fand heraus, dass die Todesursache ein Aneurysma in der Hauptschlagader war. In dem Artikel über die Autopsie stand, dass der Coroner, ein gewisser Thomas McNally, erklärt hätte, dass, »sobald das Aneurysma aufgerissen war, keine Chance auf Überleben bestand. Sie ist innerhalb von ein bis zwei Minuten verblutet«.
Judd wurde als »völlig verzweifelt« beschrieben.
Das entsprach zwar nicht ganz der Geschichte, die ihm Margaret Laymon erzählt hatte, die meinte, es wäre ein Herzinfarkt gewesen, aber es kam dem ziemlich nahe.
Er las weiter in den Ausschnitten über Judd, doch nach Lindas Tod hatte es offenbar nur noch Artikel gegeben, die seine Geschäfte betrafen, und dann den Skandal um die Jerusalem-Artischocke.
Er ging zeitlich wieder zurück und sah die große Sammlung von Ausschnitten über Roman Schmidt durch, über den es sogar noch mehr gab als über Judd senior, und stieß auf einige Überschneidungen mit Russell Gleason. Gleason wurde gelegentlich als Coroner erwähnt, eine Aufgabe, bei der er sich offenbar mit Thomas McNally abwechselte. Es war, wie Virgil wusste, in kleinen Städten nicht ungewöhnlich gewesen, dass die Ärzte dort abwechselnd zusätzliche unbezahlte Aufgaben übernahmen.
Roman Schmidt und Gleason wurden bei fünfzehn bis zwanzig Autounfällen gemeinsam erwähnt, einem tödlichen Jagdunfall während der Rotwildsaison, im Fall eines Mannes, der von einem Hirsch getötet worden war, sowie im Zusammenhang mit alten Leuten, die zu Hause tot aufgefunden worden waren, mehreren Fällen von Ertrinken und plötzlichem Kindstod, einem »Wunderbaby«, einem Kind, das den Arm in eine Maispflückmaschine gesteckt hatte und verblutet war, und bei weiteren grausigen Unfällen in der Landwirtschaft, unter anderem einem Mann, der von einem Traktor überfahren und in zwei Hälften geteilt worden war.
Doch Virgil konnte in keinem dieser Artikel Judds Namen finden.
Die Laymon-Ausschnitte hatte er bereits durchgesehen, aber darin deutete nichts darauf hin, dass Margaret Laymon eine Affäre mit Judd gehabt hatte. Über Garber, die alkoholsüchtige Lehrerin, gab es gar nichts; auch nichts über Judds Schwägerin Betsy Carlson, was ihn verwunderte. Hätte sie nicht in einem Bericht über den Tod ihrer Schwester als Zeugin genannt werden müssen? Aber vielleicht hatten sie ja auch, wie Williamson gesagt hatte, nur von den wichtigsten Namen Verweisungen gemacht, und sie war nicht wichtig genug gewesen. Da musste er mal nachfragen, denn es kam ihm schon merkwürdig vor.
Über die Strykers gab es jede Menge Zeitungsausschnitte. Über den Selbstmord von Mark Stryker war ausführlich berichtet worden, doch der größte Teil des Artikels beschäftigte sich mit der Geschichte der Familie in der Zeit vor Mark. Von Laura Stryker hieß es, dass sie als Geschäftsstellenleiterin bei der State Farm Insurance arbeitete. Virgil sah unter dem Namen des Versicherungsunternehmens nach und stellte fest, dass die örtliche Geschäftsstelle Bill Judd senior gehörte.
Hm. Davon hatte niemand etwas gesagt. Den Zeitungsausschnitten war nicht zu entnehmen, wann sie dort angefangen hatte zu arbeiten oder wann sie aufgehört hatte …
Im Raum war es warm und stickig, und nach einer Weile lehnte sich Virgil auf seinem Stuhl zurück. Er schloss die Augen, wandte sich wieder seinem Roman zu und ließ Homer übernehmen.
Noch schwer atmend vom Sex ließ Laura Stryker sich von Bill Judd herunterrollen und setzte ihre Füße auf den Boden. Beide waren mit einer glänzenden Schweißschicht bedeckt. Es konnte kein Zweifel daran bestehen: Mit Mark entging ihr was im Leben. Er war zwar ein netter Kerl, aber nicht das, was sie brauchte. »Ich werd’s ihm sagen«, erklärte sie, während sie ihren Slip anzog.
»Hey, tu das nicht. Du weißt genau, dass das mit uns nicht von Dauer ist. Wir spielen doch nur ein bisschen miteinander rum, Honey.«
»Das hat nicht unbedingt etwas mit dir zu tun, Bill. Das ist mein Problem, und ich werde es ihm sagen …«
Neuer Versuch.
Mark Stryker stand zitternd vor Wut und zum Äußersten entschlossen in der Küche. »Das lasse ich mir nicht bieten. Ich habe in meinem Leben eine Menge Scheiß hinnehmen müssen, aber das lasse ich mir nicht bieten. Ich sage es den Kindern, ich sage es deinen Eltern. Ich werde es jedem erzählen, der mir zuhört. Du
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