Blinder Hass
Stryker die Tür hinter ihnen wieder absperrte, sagte Virgil: »Lass uns nicht zu viel Licht anmachen. Nur im Chefzimmer und im Aktenraum. Mir wär lieber, wenn nicht jeder in der Stadt weiß, dass wir hier sind.«
»Das wissen vermutlich ohnehin schon alle«, sagte Stryker mit düsterer Stimme. Er war deprimiert über die mangelnden Fortschritte im Fall Schmidt. »Wir finden nichts, Mann. Wie sieht’s bei dir aus? Bist du weitergekommen?«
»In dem Brief von heute Morgen wurde angedeutet, dass Bill Judd junior finanzielle Probleme hat, und außerdem wurde auf Florence Mill hingewiesen«, sagte Virgil. »Dieses Unternehmen wurde angeblich gegründet, um aus Mais und Rutenhirse Äthanol herzustellen - und es gehört zur Hälfte George Feur.«
»Feur?«
»Ja. Ich kann nicht feststellen, wem die andere Hälfte gehört, weil die nämlich auf eine Firma in Delaware eingetragen ist. Das könnten wir vermutlich nächste Woche rauskriegen, aber heute ist es zu spät. Wir werden einige Papiere brauchen, und an der Ostküste ist es bereits zwei Uhr. Ich glaube, dass die Judds mit Feur unter einer Decke stecken und … ich weiß nicht. Irgendwas geht da vor.«
»Äthanol? Verdammt, das könnte erneut so ein Beschiss sein wie mit der Jerusalem-Artischocke. Es herrscht schon wieder diese Goldrausch-Stimmung … Die Leute, die ermordet wurden, waren nicht nur alt, sie waren fast alle auch recht wohlhabend. Die könnten in einen ähnlichen Betrug investiert haben.«
»Ja. Selbst die Schmidts. Die hatten eine halbe Million bei Vanguard angelegt.« Virgil hielt inne. »Ist Larry Jensen noch dort?«, fragte er nach kurzem Nachdenken.
»Ja.«
»Sag ihm, er soll sich die Kontoauszüge von Vanguard ansehen. Das müssten monatliche Auszüge sein wie bei einem Scheckkonto. Er soll schauen, ob in den letzten drei Jahren große Beträge abgebucht wurden. Nicht wie für ein Auto … größer.«
»Ich ruf ihn sofort an.«
Während er das tat, begann Virgil, in den Akten von Judd nach Hinweisen auf Arno Partners oder Florence Mills zu suchen. Stryker kam zurück. »Larry wird das checken. Wonach suchen wir hier?«
»Arno Partners oder Florence Mills. Du könntest seinen Computer anschmeißen und einen Suchlauf unter beiden Namen machen …«
»Ich sollte mir lieber die Akten vornehmen und du den Computer. Du kennst dich besser mit Computern aus als ich.«
Judds Computer war nicht passwortgeschützt, und es war fast nichts drauf außer Microsoft Word mit Formatvorlagen für Briefe und Umschläge mit Judds Absender und seinem Briefkopf. Es waren keinerlei Dateien abgespeichert. Und das E-MailProgramm war gar nicht erst eingerichtet worden. Eine schicke Schreibmaschine, dachte Virgil.
Als er den Computer wieder herunterfahren ließ, fiel sein Blick auf das Gerät der Sekretärin im Vorzimmer. Die Computer waren offenbar nicht vernetzt.
»Hatte Judd immer noch eine Sekretärin?«, fragte er Stryker, der im Aktenraum auf dem Fußboden saß.
»Ja. Amy Sweet. Wir haben ihr gesagt, sie soll nach Hause gehen und dem Nachlassverwalter eine Rechnung für ihre letzte Arbeitswoche schicken.«
»Ich muss mit ihr reden«, sagte Virgil. Er setzte sich hinter den Schreibtisch der Sekretärin und ließ den Computer hochfahren. Hier waren mehr Dateien drauf. Er startete einen Suchlauf unter Arno und einen unter Florence Mills. Die Suche nach Florence Mills brachte ein halbes Dutzend Dokumente.
»Hab was zu Florence Mills«, rief er zu Stryker hinüber und begann, die Dokumente zu öffnen. Zahlungen an High Plains Ag & Fleet Supply in Madison, South Dakota. Stryker kam herein und blickte ihm über die Schulter. »Dreckskerl«, sagte er und tippte am Bildschirm auf eine Zahlung für viertausend Liter Bernhard Brand AA. »Sieh dir das an.«
»Ich weiß nicht, was das ist«, sagte Virgil.
»Anhydrisches Ammoniak. Die haben irgendwo eine Äthanol-Fabrik und kaufen AA. Ich meine, das könnte legal sein, wenn sie destillieren und gleichzeitig anbauen, aber das glaub ich eigentlich nicht. Ich glaube, die produzieren Methamphetamin, und das in großem Rahmen.«
»O Mann«, sagte Virgil.
»Ich hab Feur in der Datenbank des National Crime Information Center gecheckt. Er ist ein paarmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, seit er aus dem Gefängnis draußen ist, aber das war alles Kleinscheiß. Ungebührliches Benehmen bei Protestaktionen und so was. Nichts Schwerwiegendes wie Dope.«
»Moment mal«, sagte Virgil, griff zum Telefon und rief
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