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Blinder Hass

Titel: Blinder Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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hatte Bill Judd senior in seinem Haus auf dem Buffalo Ridge eine Party gegeben, um gemeinsam zu beobachten, wie der Mond aufging, berichtete Johnstone. Damals gab es den Nationalpark noch nicht, und die Straße zum Haus war nur eine lange Schotterzufahrt, die über die Rückseite des Hügels zur Rückseite des Hauses führte.
    Die Party fand zu der Zeit statt, als Judd das wilde Leben in vollen Zügen genoss. Es waren sieben oder acht Frauen und vier oder fünf Männer da; einige von den Frauen stammten aus der Gegend, zwei oder drei waren »Entertainerinnen« aus den Twin Cities.
    »Ich weiß ganz ehrlich nicht, was da oben passiert ist«, sagte Johnstone. »Ich weiß nur, was ich hintenrum erfahren habe. Angeblich hatten sie dort ein bisschen Kokain und natürlich reichlich Alkohol und haben ordentlich einen draufgemacht. Außerdem hatten sie ein Lagerfeuer, an dem sie gegrillt haben. Spät in der Nacht ist dann eine der Frauen - aber vielleicht war es auch keine von den Partyfrauen, denn das wär echt verrückt, weil man doch wohl nicht viele Männer dazu kriegen würde, mit einer Frau zu schlafen, die im neunten Monat schwanger ist. Ich weiß gar nicht, ob sie das überhaupt könnte …«
    Er sah seine Frau an. »Es wäre sehr unbequem«, sagte diese.
    Johnstone fing an herumzudrucksen. »Im Laufe der Jahre hört man ja so allerlei … Was ich Ihnen hier erzähle, könnte also auch ganz falsch sein.«
    »Erzählen Sie es mir einfach, Gerald«, sagte Virgil. »Ich sortier’s schon auseinander.«
    »Es hieß, dass etwas zwischen dieser Frau und Judd vorgefallen wäre. Die anderen waren mit einem Teleskop hinter dem Haus und versuchten, die Männer auf dem Mond zu sehen. Das war natürlich unmöglich, doch sie hatten dieses Teleskop, und sie waren da oben auf dem Berg, und sie waren betrunken.«
    »Gerald, die schwangere Frau.«
    Johnstone nickte. »Spät in der Nacht waren sie also da draußen, und plötzlich sehen sie ein Auto, das anscheinend von der Schotterstraße abgekommen ist. Es fährt den Berg hinunter, also weg von der Party, und folgt unaufhaltsam dieser Furche im Hang nach unten. Die Leute drehen durch, schreien, glauben, die Frau ist betrunken und weiß nicht, was sie tut, und laufen alle hinterher … Und dann fährt sie doch tatsächlich mit dem Auto schnurstracks den Buffalo Jump hinunter«, sagte er.
    »Das Kliff.«
    »Gleich unterhalb von Judds Haus. Angeblich haben die Indianer früher Büffel das Kliff hinuntergejagt. Das Auto schießt also über die Kante, und die Leute rennen laut schreiend herum. Judd kommt aus dem Haus gelaufen, dann springt er mit zwei weiteren Männern in ein Auto, und sie rasen die Zufahrtsstraße hinunter bis zum Fuß des Kliffs. Derweil sagte eine der Frauen: ›Sie ist bestimmt schwer verletzt.‹ Also rufen sie die Feuerwehr an, und die schickt einen Rettungswagen.«
    »Sie ist also gestorben«, sagte Virgil.
    »Ja, aber nicht sofort. Sie war hirntot, wie man heute sagen würde. Sie hatte Verletzungen an Kopf und Nacken, aber ihr Herz schlug noch, als Judd und die anderen sie aus dem Wagen zogen. Dann kam die Feuerwehr und hat sie ins Krankenhaus gebracht. Sie ist auf der Unfallstation gestorben, aber der Arzt …«
    »Gleason«, sagte Virgil.
    Johnstone sah seine Tochter lange an - mindestens zehn bis fünfzehn Sekunden -, dann seufzte er. »Ja, Russell Gleason. Russ hat das Baby zur Welt gebracht. Eine schwere Geburt, aber das Baby hat überlebt. In der Zeitung stand eine Geschichte darüber. Sie haben es das ›Wunderbaby‹ genannt.«
    »Aber warum sollte jemand Gleason umbringen, weil er das Baby zur Welt gebracht hat?«, fragte Virgil. »Wenn er auf der Unfallstation war, kann er nicht auf der Party gewesen sein und konnte also auch nichts mit der Frau zu tun gehabt haben.«
    »Dazu kann ich Ihnen nichts sagen«, erwiderte Johnstone. »Ich kann nur ein Gerücht weitergeben, und ich kann Ihnen sagen, was mir damals aufgefallen ist.«
    Mit einem Fingerschnippen forderte Virgil Johnstone auf weiterzureden.
    »Es hieß, dass die Frau nicht wegen der Party da gewesen wäre, dass sie gar nicht eingeladen war. Dass sie von sich aus mit ihrem Auto aus den Twin Cities gekommen und schon vor der Party da gewesen wäre und sich mit Bill gestritten hätte. Bill konnte ziemlich ungehobelt sein. Niemand weiß, was genau passiert ist, doch es gab Gerüchte, dass er nicht bei den anderen war, als sie sahen, wie das Auto den Hügel hinunterfuhr. Er kam erst etwa eine Minute

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