Blinder Hass
»Ihr Bestatter hat recht. Wenn sie innerhalb von fünfzehn bis zwanzig Minuten gestorben ist, können diese Blutergüsse nicht von dem Unfall stammen. Außerdem habe ich solche Blutergüsse schon häufiger gesehen, nämlich wenn jemand nach einer Schlägerei in einer Bar stirbt. Wenn jemand heftige Schläge mit einem Pool-Queue verpasst bekommen hat, gibt es diesen Streifeneffekt, jedenfalls wenn er Zeit genug hat, sich zu entwickeln. Mal angenommen, ein Typ wird bei einer Barschlägerei übel mit einem Queue zugerichtet und stirbt am nächsten Tag, dann sieht man so etwas. Wenn er noch am Tatort stirbt, sieht man das nicht.«
Virgil rief Johnstone an. »Gerald, waren Sie mal im Haus von Judd?«
»O ja, einige Male. Ich war zwar nicht gerade beliebt bei ihm, weil ich Bestattungsunternehmer war und er ein bisschen abergläubisch. Aber ich war trotzdem einige Male dort.«
»Hatte er einen Pool-Tisch?«
»Ja, klar. Er hatte alles. Swimmingpool, Pool-Zimmer, Whirlpool-Becken … er hatte diesen ganzen Kram. Der Witz war, bei seiner Einrichtung orientierte er sich am Playboy -Magazin.«
»Pool-Zimmer?«, fragte Kate Klein.
»Ja.«
»Mein Gott, was führen Sie für ein angenehmes Leben«, sagte sie. »Wären Sie doch nur ein reicher Arzt, dann hätte ich Sie vielleicht geheiratet.«
»Da hättest du dich anstellen müssen«, sagte Klein. »Dieser Junge war so oft verheiratet, dass sein Gesicht von den vielen Reiskörnern noch immer ganz rot ist.«
SECHZEHN
Virgil verließ die Kleins.
Samstagabend, und er hatte nichts vor.
Er dachte schon daran, Davenport anzurufen, doch er hatte in letzter Zeit zu oft Davenports Hilfe in Anspruch genommen, deshalb entschied er sich dagegen. Stattdessen checkte er in das St. Paul Hotel ein, zog eine saubere Jeans und ein Flaming-Lips-T-Shirt an, polierte seine Stiefel und ging ins Minnesota Music Café, um ein paar Bier zu trinken.
Dort traf er Shrake, der in Begleitung einer Sekretärin mit wilder Mähne aus dem Landwirtschaftsministerium da war. Shrake wollte wissen, wie es bei den Johnstones gelaufen war, dann gesellten sich einige Cops von der Stadtpolizei von St. Paul zu ihnen, und Virgil tanzte mit einer Frau, die eine Schmetterlingstätowierung um den Nabel hatte. Er hatte sich gerade sein drittes Bier geholt, da glitt eine Frauenhand in die Gesäßtasche seiner Jeans, und eine vertraute Stimme sagte: »Diesen kleinen Knackarsch würde ich überall erkennen.«
Er drehte sich um. »Verdammt noch mal, Jeanie. Wie ist es dir ergangen?«
»Okay«, sagte sie, und an eine Freundin gewandt: »Das ist mein erster Exmann, Virgil Flowers. Ich bin seine zweite oder dritte Exfrau, ich vergess das immer wieder.«
»Sei nett«, sagte Virgil. Er musterte sie von oben bis unten und stellte fest, dass sie gut aussah und sogar ziemlich wohlhabend. »Immer noch im Immobiliengeschäft?«
Sie verdrehte die Augen. »Ja. Ich sollte es lieber gar nicht zugeben, so wie die Preise in den Keller gegangen sind, aber … es gibt nichts Besseres, als ein Haus zu verkaufen. Gibt mir ein gutes Gefühl.«
So plauderten sie noch eine Weile, und er begann, sich an die guten Zeiten zu erinnern, die sie zusammen gehabt hatten, und dann klopfte sie ihm an die Brust und sagte: »Stell dir vor, ich werde vielleicht wieder heiraten.«
»Hey, ist ja toll«, sagte Virgil. »Jemanden, den ich kenne?«
»Nein, nein. Er ist bei Wells Fargo, Finanzdirektor in der Hypothekenabteilung. Ich kenne ihn schon seit Jahren.«
»Und er steht jetzt zur Verfügung, weil …«
Sie zuckte mit den Schultern. »Weil seine Ehe in die Brüche gegangen ist. Die alte Geschichte. Alle arbeiten ständig, und niemand redet miteinander.«
»Hat er Kinder?«, fragte Virgil.
»Zwei; aber er hätte gern noch mehr.«
»Tanzt er?«
Sie lachte. »Nicht so gut wie du, Virgil. Aber tanzen tut er schon, halt wie ein Banker.«
»Autsch.«
Insgesamt amüsierte er sich recht gut. Er tanzte ein paarmal mit der Freundin, und um ein Uhr morgens legte er sich ein bisschen betrunken im Hotel ins Bett, allein.
Dachte eine Weile an Gott.
Sonntag
Nicht so richtig verkatert, aber ein bisschen einsam. Er duschte und zog sich an, frühstückte, checkte aus dem Hotel aus und fuhr zur Historischen Gesellschaft hinüber. Die Bibliothek war geschlossen. Er telefonierte herum, und die diensthabende Beamtin, die zwar nicht diesen Titel trug, aber diese Funktion hatte, führte ihn zu den Mikrofilmgeräten und brachte ihm die Mikrofilmrolle,
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