Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
sie mussten Leuten gehören, die nicht nur im Zirkus arbeiteten, sondern auch dort wohnten, und außerdem einen Führerschein hatten. Meng Di konnte meines Wissens fahren, und vielleicht auch Faust, aber ich war zu müde, als dass es mich wirklich interessierte.
Als ich in der rasch zunehmenden Helligkeit den Parkplatz überquerte, hätte ich am liebsten die Schultern hochgezogen und den Kopf gesenkt. Ich ließ mich mit dem Schlüssel in den wunderbar dämmrigen Lagerraum hinein, schloss hinter mir ab und lehnte mich für zwei Sekunden an die Tür.
Es war noch nicht lange her, da hatte die Hintertür überhaupt kein Schloss gehabt. Es musste einem jemand von drinnen öffnen. Ich hatte dafür gesorgt, dass eine Stahltür mit Schloss eingebaut wurde. Vorher war immer ein Wächter unter dem Dach im Ausguck gewesen und hatte, wenn nötig, jemanden an die Tür geschickt. Ich sagte ihnen, das sei albern, da es ein Schloss an der Vordertür gebe, und es machte es den Angestellten nur schwerer hineinzugelangen. Und außerdem gab es eine kleine Zeitspanne kurz vor Morgengrauen, wo manchmal der Ausguck nicht besetzt war, und das war oft genau dann der Fall, wenn ich hineinwollte. Früh morgens an eine Tür zu hämmern war auf die Dauer einfach frustrierend.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass die Tür wirklich zu war, wand ich mich zwischen den Kisten, die immer dort standen, zu der großen Tür durch, hinter der die Treppe lag. Die Treppe führte nach unten, weit nach unten. Hätte es einen Aufzug gegeben, hätte ich ihn jetzt benutzt. Aber es gab keinen. Die Treppe gehörte zu den Verteidigungsanlagen des Zirkuskellers. Erstens waren es viele Stufen, sodass man sich genau überlegte, ob man wirklich hinunterwollte. Zweitens gab es auf dem Weg nach unten immer wieder Stellen, wo man einen Hinterhalt legen konnte. Drittens waren die Stufen unbequem zu gehen und erweckten den Eindruck, als wären sie nicht für Zweibeiner gemacht worden, oder zumindest nicht für Zweibeiner von menschlicher Gestalt. Wer nicht wusste, was ihn unten erwartete, begann zu argwöhnen, wer oder was diese Treppe benutzte. Tatsächlich nur Vampire und Wertiere, aber unsere Feinde wussten das nicht. Jean-Claude nährte immer wieder die Gerüchte, dass es da unten noch andere, beträchtlich größere Wesen gab. Ich hatte nichts dagegen. Die ängstlichen Spekulationen seiner Feinde sollte man nie zerstreuen.
Bis ich unten an der großen Eisentür ankam, fielen mir fast die Augen zu. Ich zog meinen Schlüsselbund hervor. Der Schlüssel zu dieser Tür war nicht schwer zu erkennen. Es war der einzige lange mit altmodischem Bart. Verglichen mit den modernen war er riesig.
Ich steckte ihn ins Schlüsselloch, das Schloss war gut geölt und bewegte sich geschmeidig. Die Türangeln waren ebenfalls leise. Trotzdem hätte ich wahrscheinlich Mühe gehabt, die schwere Tür aufzuziehen, wenn ich nur menschliche Kräfte gehabt hätte. Die hätte noch ganz anderem als Menschenhänden standgehalten.
Ich zog sie hinter mir zu, schloss ab und legte den großen Riegel vor. Sollte noch jemand nach mir heimkommen, hätte er eben Pech. So spät am Morgen konnte man aber sicher sein, dass niemand mehr kam. Jean-Claude musste aber mit mir gerechnet haben und hatte den Riegel nicht vorlegen lassen.
Ich teilte die bodenlangen Vorhänge, die die Wände des Wohnzimmers bildeten, und durchquerte es, ohne auf die weiß-gold-silberne Einrichtung und das Gemälde über dem falschen Kamin zu achten. Ich wollte bloß noch ins Bett.
Ich ging in Jean-Claudes Zimmer, aber das hätte ich mir sparen können. Er lag unter der Decke mit Asher, im Tod so schön wie im Leben, die goldenen Locken auf dem weißen Kissen ausgebreitet, die Augen geschlossen. Er hatte hellblaue wie ein Husky. Jean-Claudes waren dagegen dunkelblau. Asher lag auf der Seite, sodass seine narbige Gesichtshälfte nicht zu sehen war. Sie hatten eine Lampe brennen lassen, vermutlich für mich. Andernfalls wäre es stockfinster gewesen, denn es gab keine Fenster. Jean-Claude lag an Ashers Rücken geschmiegt, einen Arm über dessen Taille, die Hand auf den Narben am rechten Oberkörper.
Ich berührte Jean-Claudes Gesicht und strich ihm eine Haarsträhne von der bleichen Schulter. Seine Haut fühlte sich kalt an und würde noch kälter werden. Ich küsste Asher auf die Stirn. Es war, als küsste ich eine Leiche. Was er tatsächlich war. Vampire schlafen nicht, wenn es hell wird, sie sterben. Sie waren wirklich
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