Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
was meinst du, wie ich mich fühle, wenn jeder, mit dem ich als Ulfric zu tun habe, denkt, dass ich den Meister von St. Louis vögle?«
»Meinst du, wenn die Leute dich für bisexuell halten, untergräbt das eine Autorität?«
»Ja.«
»Jean-Claudes Autorität scheint es aber nicht zu untergraben.«
»Das ist etwas anderes.«
»Das finde ich nicht.«
Er ballte die Fäuste, und das tat weh. »Du verstehst das nicht, Anita. Du bist eine Frau und kannst das nicht verstehen.«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, eine bisexuelle Frau wird von der Gesellschaft mehr akzeptiert als ein bisexueller Mann.«
»Wer sagt das?«
»Jeder!« Sein Zorn stieg an, und ich hatte das Gefühl, schon bis zur Hüfte drinzustehen.
»Du bist homophob«, sagte ich.
»Nein.«
»Doch, bist du. Wenn es anders wäre, würde es dich nicht so stören, dass die Leute das von dir denken. Es würde dir reichen zu wissen, dass es nicht wahr ist.« Ich rückte näher an ihn heran, drängte mich durch die Hitze seiner Macht und Wut und Frustration. »Was ist denn falsch daran, bisexuell oder homosexuell oder was auch immer zu sein? Solange jeder glücklich ist und niemand verletzt wird, ist doch alles in Ordnung, Richard.«
»Du verstehst das nicht«, wiederholte er.
Ich stand in seiner Reichweite, und seine Macht biss und brannte mir auf der Haut, als hätte ich den Morgenmantel gar nicht an. Er war so machtvoll, viel machtvoller als ich es zuletzt bei ihm gespürt hatte. Er hatte von Jean-Claude und mir dazugewonnen, wir alle drei voneinander. Wenn wir uns nur überwinden könnten, das Triumvirat wirksam zu führen, könnte uns niemand mehr etwas, würde es niemand mehr wagen, uns herauszufordern.
Das war eigentlich nicht mein Gedanke. Jean-Claude war zwar noch nicht wach, das hätte ich gespürt, aber der Gedanke entsprang mehr seinem Denken als meinem. Ich dachte an die vergangene Nacht im Guilty Pleasures, wo wir uns enger aneinandergebunden hatten denn je. Ich hatte Dinge getan, die vorher nicht möglich gewesen waren. Mit meinen und Jean-Claudes Fähigkeiten hatte ich ein neues Ausmaß an Macht gewonnen. Ich hatte außerdem Sex mit einem Vampir gehabt, den ich nicht mal zwei Wochen kannte, und nur weil Requiem ein Kavalier war, war es bei dem einen geblieben. Das sah mir überhaupt nicht ähnlich, und als ich jetzt Richards Schmerz so nah war, dachte ich an die Macht und nicht an die Belastung für ihn. Das sah mir ebenfalls nicht ähnlich. Vielmehr sah beides nach Jean-Claude aus.
»Was ist los?«, fragte Richard. »Du hast über etwas nachgedacht.«
»Ich frage mich nur, was ich sonst noch von Jean-Claude abbekommen habe.«
»Die Ardeur und den Blutdurst, hast du vorhin gesagt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Bei Beziehungen und beim Sex war ich nie pragmatisch, aber in den letzten vierundzwanzig Stunden bin ich es gewesen. Zumindest wesentlich pragmatischer als früher.«
»Ist es wahr, dass du mit den beiden britischen Vampiren im Guilty Pleasures Sex hattest?«
»Du meine Güte, die Gerüchte verbreiten sich ja wieder enorm schnell.«
Er entspannte sich ein wenig. »Also ist es nur ein Gerücht.«
Ich seufzte schon wieder, und es ging mir ziemlich auf die Nerven, aber Richard hatte offenbar diese Wirkung auf mich. »Zur Hälfte.«
»Welche Hälfte stimmt?«, fragte er.
Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht. Er war nicht wütend, was schon mal einen Fortschritt darstellte, aber neutral war er auch nicht. »Es war nur ein Vampir, nicht zwei.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber weißt du was? Ich finde, ich bin dir keine Erklärung schuldig, Richard. Ich achte auch nicht darauf, wie viele du in deinem und Vernes Rudel verschleißt.«
Er blickte mich forschend an, als wollte er ergründen, was ich vor ihm verbarg. »Wenn du dich dessen nicht schämen würdest, würdest du es mir einfach sagen.«
»Richard, du bist nicht mein Vater und nicht mein Partner. Ich brauche dir nicht zu erzählen, mit wem ich schlafe und wem nicht.«
»Du hast vier Monate lange mit Nathaniel in einem Bett geschlafen, bevor du Sex mit ihm hattest. Was hat sich geändert? Warum diese beiden Vampire? Warum jetzt? Ich habe gehört, dass es ziemlich zur Sache ging. Was ist passiert?«
»Fragst du das als besitzergreifender Macho?«
»Nein, als Mitglied unseres Triumvirats. Oder sollte ich sagen: als Mitglied eines deiner Triumvirate?«
Als solches hatte er das Recht zu erfahren, wie nah wir daran gewesen waren, die Gewalt über Primo zu
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