Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
gewinnen oder, je nachdem wie man es betrachtet, auch verlieren werden, ich weiß nur, dass es geschieht.«
»Ich denke, dass Nathaniel und ich unser Dominanzverhalten ein bisschen vertauscht haben.« Ich sah Richards Gesichtsausdruck und fügte hinzu: »Seit dem neuen Triumvirat ist Nathaniel ein bisschen dominanter geworden, und ich genieße es, ein bisschen gefügiger zu sein. Er hat zwar vorher schon versucht, dominanter aufzutreten, aber jetzt scheint es ihm wirklich zu gefallen.« Ich hätte mich am liebsten vor Verlegenheit gewunden, hielt mich aber zurück. Ich war nicht bereit, mich auch nur mit einer Geste dafür zu entschuldigen. Ich werde besonders trotzig, wenn mir etwas peinlich ist.
»Dann können wir offenbar auch mit einem Austausch unserer grundlegenden Charakterzüge rechnen«, schloss Jean-Claude, bemühte sich um einen leichten Ton und versagte.
»Das könnte ziemlich befremdlich werden«, meinte ich und zog die Knie an die Brust wie Richard, obwohl der es sicher zur Bequemlichkeit getan hatte. Ich dagegen suchte Schutz.
»Waren das jetzt alle schlechten Neuigkeiten?«, fragte er und blickte Jean-Claude direkt an.
»Ich halte es nicht für schlecht, mon ami, aber ihr beide vielleicht.«
»Spuck’s endlich aus«, sagte ich und schlang die Arme um die Knie.
»Du hast bei meinem Pomme de sang den Gestaltwechsel ausgelöst, bei einem jedenfalls. Aber ich bevorzuge meine Speise ohne Fell, genau wie du bis vor Kurzem noch.«
Ich musste mich anstrengen, um Richard nicht anzusehen. »Wen hattest du im Sinn?«
»Requiem hat mir berichtet, dass du vorige Nacht enorm viel Blut verloren hast, ma petite. Ich halte es für klüger, wenn du nicht so bald wieder Blut spendest.«
Ich hörte Richard seufzen. »Ich würde ja sagen: immer ich, aber das stimmt nicht. Ich weiß, dass Anita dich neuerdings saugen lässt, aber nicht regelmäßig.« Er lehnte die Stirn auf seine Knie und seufzte wieder. »Na schön, aber nur, wenn Anita auch hier ist. Du und ich allein, das kommt nicht in Frage.«
»Was heißt für dich: wenn Anita mit uns zusammen ist?«
»So habe ich das nicht ausgedrückt«, sagte Richard.
»Hast du es denn nicht so gemeint?«, fragte Jean-Claude.
Richard überlegte einen Moment lang, dann nickte er. »Ja, schon, aber aus deinem Mund klingt es so –«
»Ich möchte das auch genauer wissen«, unterbrach ich ihn. »Was heißt: mit euch beiden zusammen sein?«
Richard errötete. Das kam nicht oft vor und war jetzt schon das zweite Mal in ein und demselben Gespräch. »Ich meine es nicht so, wie es bei euch klingt.«
»Dann sag uns, wie du es meinst, mon ami.«
»Ich will nicht. Ich meine …« Er stöhnte frustriert. »Wie kommt es, dass ich mich jedes Mal so daneben fühle, wenn ich etwas mit euch beiden zusammen tun soll?«
Ich hatte einen Aha-Moment, denn mir fiel ein, wie sehr Richard unter dem Gerücht litt, er hätte es mit Jean-Claude getrieben oder täte es noch. Ich beschloss, ihn zu retten. Schließlich hatte er sich bereit erklärt, eine Vene für Jean-Claude zu öffnen. Das verdiente Respekt, vor allem wenn man bedachte, dass er, was Blutspenden an Vampire betraf, früher nach denselben Regeln gelebt hatte wie ich. Richard suchte noch immer vergeblich nach Worten.
»Ich verstehe, was er sagen will.«
Sie blickten mich beide an, Richard zweifelnd, Jean-Claude amüsiert, als ob er Richards Unbehagen genau verstünde, aber glaubte, ihm das nicht zeigen zu dürfen. Aber vielleicht amüsierte ihn auch etwas ganz anderes; bei Jean-Claude wusste man nie.
»Du möchtest nicht mit Jean-Claude allein sein, wenn er an dir saugt«, sagte ich.
Richard sah erleichtert auf und nickte.
Ich verkniff mir eine Bemerkung über Homophobie. Wenn Richard sich nicht gern von einem anderen Mann anfassen ließ, war das sein gutes Recht. Es stand mir nicht zu, ihn anzumeckern. Ich selbst hatte noch keine Vampirfrau an mir saugen lassen.
Jean-Claudes Belustigung wurde eine Spur deutlicher. »Und warum ist es so problematisch, mit mir allein zu sein?«
Ich schoss ihm einen bösen Blick zu, und Richard wusste schon wieder nicht, wie er antworten sollte. »Jean-Claude, du kennst doch das alte Sprichwort: ›Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul‹.«
»Oui.«
»Bei diesem wackelst du gerade an den Zähnen.«
Er lachte. Es war dieses körperlich spürbare Lachen, das mich trotz härtester Abschirmung zum Schaudern brachte, aber nicht vor Angst. Und da sah ich es aus den
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