Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Männerstimmen zu hören waren. An der Tür angelangt, hielt ich die Waffe schussbereit vor mich, nahm aber neben der Tür Deckung. Nein, ich stellte mich nicht mitten in die Tür und machte mich zur Zielscheibe. Das ist nur in Filmen toll. Im richtigen Leben gehen Sie in Deckung, und erst wenn Sie überlebt haben, verschwenden Sie Gedanken ans Heldentum.
Am Ende des Flurs vor dem Gemeindesaal rangen unsere beiden mutigen Bürger mit dem flüchtigen Vampir. Sie schienen zu gewinnen. Sie hatten ihn bereits am Boden. Allerdings lag einer der beiden ebenfalls am Boden. Ich ging durch die Tür, die Pistole schussbereit, Zerbrowski war direkt hinter mir. Er brüllte: »Polizei, keine Bewegung!«
Die zwei aufrechten Bürger, ein Blonder und ein Dunkelhaariger, hielten kurz inne, weil aufrechte Bürger auf die Polizei hören. Es war wirklich nur ein kurzes Innehalten, bei dem sie zu uns blickten, mehr nicht, dann rangen sie weiter mit dem Kerl. Der jedoch hatte weder zu uns geblickt, noch innegehalten. Schließlich hatte er nichts zu verlieren. Ich hatte einen Hinrichtungsbefehl in der Tasche und durfte ihn erschießen.
Während des kurzen Innehaltens musste er eine Hand freibekommen haben. Ich sah etwas Silbernes schimmern und schrie »Messer!«, aber zu spät. Er stieß die Klinge dem Dunkelhaarigen in der Brust. Den Blonden nahm das offenbar sehr mit. Er kniete sich neben seinen Freund und dachte offenbar, wir hätten den Messerstecher im Griff, denn er wandte sich dem Verletzten zu. Hätte der Schurke das Übliche getan und wäre aufgesprungen, um zur Tür zu rennen, hätten wir auf ihn schießen können. Doch das tat er nicht. Er stieß die Tür auf und rollte sich hindurch, sodass die beiden anderen in der Schusslinie waren.
»Scheiße!«, zischte ich und rannte hinterher.
67
A n der nächsten Tür ging ich in die Hocke, Zerbrowski blieb aufrecht. Marconi und Smith warteten hinter uns auf freies Schussfeld.
Wir waren im Gemeindesaal, und in der Mitte zwischen den vielen langen Tischen kauerte der Vampir. Er hielt sich seine Lederjacke vors Gesicht, um sich gegen den grellen Schein der beiden Kreuze zu schützen, die ihm die zwei Streifenpolizisten entgegenstreckten. Sie hatten die Dienstwaffe in der einen und das Kreuz in der anderen Hand, aber so, dass sie die Waffe mit beiden Händen halten konnten. Training zahlt sich aus.
»Er hat ein Messer«, rief ich.
Einer der Männer sah kurz zu mir, nicht mal für eine Sekunde. »Wir decken Sie, Sie durchsuchen ihn.«
»Sei kein Weichei, Roarke«, sagte Smith hinter mir.
»Du kannst mich Weichei nennen, sobald du so dicht vor ihm stehst.«
Ich hielt meine Waffe auf den Vampir gerichtet und ging langsam auf ihn zu. Dabei sagte ich: »Lassen Sie ganz langsam das Messer fallen.«
Der Vampir rührte sich nicht, außer um sich hinter seiner Jacke zu schützen.
Ich blieb stehen und blickte ihn über den Lauf hinweg an. Dabei wurde ich innerlich ruhig, glitt aus meinem Kopf an den fernen, sonderbar friedlichen Ort, wo ich immer hinging, wenn ich tötete, und hatte Zeit, mich darauf einzustellen. »Ich sage es nur noch ein Mal, Jonah. Lassen Sie das Messer fallen, sonst bekommen Sie eine Kugel verpasst. Ich sage … es kein … drittes … Mal.« Ich atmete vollständig aus, mein Körper wurde reglos, in meinem Kopf war es still. Diesmal hörte ich kein weißes Rauschen, es war vollkommen still. Die Welt war zusammengeschrumpft auf die kauernde Gestalt. Ich nahm Zerbrowski und die Kollegen nicht mehr wirklich wahr, selbst das grelle Licht der Kreuze blendete ich aus. Ich war allein auf den Mann konzentriert, den ich gleich erschießen würde.
Das Messer landete auf dem Boden. Ich sah das Silber schimmern, dachte aber nicht »Messer«. Ich hatte den Punkt erreicht, wo einen nichts mehr aufhielt. Es gab keinen anderen Weg mehr.
Zerbrowskis Stimme riss mich raus. »Das Messer, Anita, er hat das Messer fallen lassen.« Er redete behutsam, als wüsste er, dass ich im Begriff war, den Finger zu krümmen. Eine energische Stimme konnte die Bewegung auslösen.
Ich atmete scharf ein und richtete den Lauf zur Decke. Ich musste aufhören, auf den Mann zu zielen, sonst hätte ich geschossen. Von Rechts wegen hätte ich das tun können, aber wir brauchten einige Informationen von ihm. Tote sind nicht sehr gesprächig. Echte Tote jedenfalls
»Ich habe ihn«, sagte Zerbrowski, der vollkommen ruhig auf ihn zielte.
Ich nickte und lehnte die Stirn an meine Pistole. Sie war nicht
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