Blinder Instinkt - Psychothriller
drohte ihn zerplatzen zu lassen. Er vergaß das Mädchen auf dem Boden, wandte sich ab und lief in den großen Saal hinaus, dessen Fenster alle doppelt mit harten, soliden Holzplatten vernagelt waren. Das Dröhnen der Schläge hallte in dem großen Saal von einer Wand zur anderen, wiederholte und multiplizierte sich, wurde binnen kurzer Zeit zu einem wahnsinnigen Crescendo. Hektisch ruckte sein Kopf von einer Seite zur anderen, wie ein Hund versuchte er, die Quelle der Schläge zu orten, schaffte es aber nicht. Sie waren hier, dort, überall. Tausende Fäuste hämmerten zugleich auf das Gebäude ein und ließen es in seinen Grundfesten erzittern.
Er lief zur linken Seite hinüber, an der sich eine lange Schanktheke mit dahinterliegendem Lagerraum für Getränkekisten und Bierfässer befand. Jetzt lagerten dort seine Utensilien. Von diesem Raum führte eine eiserne Tür nach draußen. Ebenjene Tür, durch die er stets kam und ging. Er drehte den Schlüssel, öffnete sie einen schmalen Spalt und spähte hinaus.
Er sah gerade noch, wie ein großer, kräftig gebauter Mann an der Hausecke zur vorderen Giebelseite verschwand. Auch sah er den schweren Hammer mit langem Stiel in der Hand dieses Mannes.
Ein einzelner Mann!
Keine Polizeiarmee, nur ein einzelner Mann, der versuchte, seine Burg zu stürmen.
Er würde es verhindern.
Das kurze Brecheisen, mit dem er die regelmäßig aus dem
Ausland eintreffenden Holzkisten öffnete, lag neben der Tür auf einem Regalbrett. Er nahm es in die rechte Hand, schob sich nach draußen und drückte die Tür leise ins Schloss. Als sie zu war, hörte auch das gewaltige Dröhnen auf, das ihn drinnen fast um den Verstand gebracht hatte. Hier draußen war es nur das, was es wirklich war: Hammerschläge gegen Holz. Jetzt gegen die Eingangstür, die er von innen auch doppelt mit Platten vernagelt hatte. So leicht kam niemand hinein, mit einem einfachen Hammer schon gar nicht, da konnte er noch so kräftig sein.
Eduard Sauter schlich bis zur Hausecke vor. Dort blieb er schwer atmend stehen. Er empfand gleichzeitig Angst, Entzücken und freudige Erwartung. Anders als er es geplant hatte, befand er sich plötzlich in der Position des Jägers. Würde er auch mit dieser Beute fertig werden?
Ja, wenn er das Überraschungsmoment nutzte.
Er positionierte sich ganz nah an die Ecke, nahm das Brecheisen in beide Hände und holte weit hinter dem Kopf aus.
»Hilfe, ich bin hier, hilf mir!«, rief er mit hoch gestellter Stimme.
Augenblicklich hörte das Hämmern gegen die Eingangstür auf.
Das Kribbeln in seinen Fingern und Beinen nahm dagegen zu.
Schritte auf dem Schotter. Schnelle Schritte, die sich rasch der Hausecke näherten.
Er drosch mit dem Brecheisen zu, just in dem Moment, als der Mann um die Ecke kam. Das perfekte Timing eines professionellen Jägers. Das Brecheisen erwischte ihn seitlich am Kopf. Durch das Metall hindurch spürte er Knochen
brechen. Blut spritzte in hohem Bogen auf den Parkplatz. Der Mann gab einen erschrockenen Laut von sich, taumelte zurück und stürzte auf den Rücken. Dabei verlor er seinen Hammer. Er schlug beide Hände vor sein eingeschlagenes Gesicht und schrie gequält auf.
Der Jäger setzte nach. Man ließ ein verletztes Beutetier nicht in seinen Qualen liegen. Er beugte sich über den Mann und holte aus. Der bemerkte ihn, wollte die Hände zur Deckung hochreißen, schaffte es aber nicht mehr. Die Brechstange drosch ihm diesmal mitten ins Gesicht. Jetzt schrie er schrill und laut.
Töte die Beute! Töte sie, bevor sie Artgenossen anlockt mit ihrem Geschrei.
Er drosch so oft auf den Mann ein, bis der endlich still war und er selbst seine Arme vor Schmerzen nicht mehr heben konnte.
Als er sich aufrichtete, stieg über dem Feld nebenan krächzend ein Schwarm Krähen auf. Schwer atmend beobachtete er die schwarzen Vögel. Blut troff von seinen Händen und der Brechstange auf den zerstörten Körper hinab. Er sah nicht hin, beobachtete weiterhin die Krähen bei ihrem Rundflug. Sie bewegten sich nicht majestätisch, aber strukturiert und zielgerichtet. Sie waren gute Jäger, mussten sich vor keinem Feind in der Tierwelt fürchten, denn es gab keinen. Sie waren konsequent und tödlich und ohne Mitleid. Genauso musste er jetzt auch vorgehen. Die Dinge richteten sich, wurden strukturierter, daran änderte auch dieser kleine Zwischenfall nichts. Er hatte den Ablauf wieder unter Kontrolle, alles war in bester Ordnung. Allerdings musste er den nächsten Schritt
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