Blinder Instinkt - Psychothriller
das Gegengift, nicht erst im Krankenhaus. Sie stirbt sonst.«
Während Kindler telefonierte und durchgab, was Paul ihm aufgetragen hatte, hockten er und Ziller neben Franziska, die mehr tot als lebendig wirkte.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Bodo Ziller.
»Ich war mal in Australien, hab diese Viecher dort auch gesehen. Es gibt verschiedene Arten, und ich könnte mich täuschen, aber da unten krabbeln noch welche herum, und diese sehen aus wie die Gattung, die ausschließlich in der Gegend von Sydney vorkommt. Es ist die gefährlichste. Ihr Gift ist tödlich. Aber wir brauchen ein Exemplar aus dem Keller, zur Sicherheit.«
Ziller starrte Paul an. »Ich bestimmt nicht«, sagte der eigentlich hartgesottene Beamte.
»War mir klar. Bleib bei ihr und überwach den Puls. Ich geh runter.«
Paul sah sich hinter dem Tresen um, fand mehrere Gläser mit Schraubverschluss sowie eine Metallschaufel, mit der wahrscheinlich Futter abgewogen wurde. Damit bewaffnet stieg er erneut in den Keller hinab. Jetzt sah er auch den Lichtschalter, der sich neben der Klappe an der Decke befand. Zwei ausreichend starke Leuchtstoffröhren flammten auf, nachdem er ihn betätigt hatte. Das Licht machte die Spinnen noch nervöser. Sie rannten auf dem Boden umher als gälte es, ein Wettrennen zu gewinnen.
Auf der letzten Stufe hockend atmete Paul tief ein und aus und nahm seinen ganzen Mut zusammen. Eigentlich hatte er keine Angst vor Spinnen, weil er genau wusste, dass sie ihm nichts taten. Mit diesen hier verhielt es sich aber anders. Gerade die Männchen galten als äußerst aggressiv, und als eine der wenigen Ausnahmen im Tierreich verfügten sie über das tödliche Gift, nicht die Weibchen. Während der Paarungszeit
verließen die Männchen die Nester und streiften durch die Gegend, deshalb passierten die meisten Bissunfälle auch mit ihnen.
Paul schluckte trocken, setzte einen Fuß auf den Boden, dann den anderen. Direkt vor ihm flitzten die Spinnen von rechts nach links. Paul stellte die vordere Kante der Schaufel auf den Boden, wartete, bis eine in seine Nähe kam und hielt ihr die Schaufel genau in die Marschrichtung. Aufgescheucht wie sie war, lief sie direkt rauf. Paul riss die Schaufel hoch und wollte die Spinne in das Glas schütten, doch die hielt sich auf dem glatten Metall der Schaufel, krabbelte sogar noch daran hoch in Richtung seiner Hand.
Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinab.
Bevor die Spinne seine Hand erreichte, ließ er die Schaufel fallen. Er machte einen schnellen Schritt zurück und stülpte das Glas einfach über die nächste Spinne, die vorbeikam. Die versuchte sofort, an dem Glas emporzuklettern. Paul kippte es mit einer schnellen Handbewegung um und schraubte das Glas zu. Dann brachte er sich mit einem ungelenken Sprung nach hinten in Sicherheit.
Er hielt das Glas gegen das Licht.
Die Spinne richtete sich auf und zeigte ihm ihre eindrucksvollen Fänge.
Kein Zweifel. Eine Trichternetzspinne.
Jetzt konnte er für Franziska nur noch hoffen, dass sie nicht zu spät gekommen waren. Paul konnte sich noch daran erinnern, dass es bei gesunden erwachsenen Menschen recht lange dauern konnte, ehe der Tod durch Herzversagen eintrat.
»Halt durch«, murmelte er und stieg die Treppe hinauf.
8
Das Glas frischer kühler Milch war das Beste, was sie je getrunken hatte. Sie trank es in einem langen, gierigen Zug aus. Dann rülpste sie laut, roch das Brot, ertastete es und aß beide Scheiben in aller Eile auf. Sie konnte gar nicht anders; eine Scheibe liegen zu lassen war ihr nicht möglich.
Beinahe sofort floss neue Energie durch ihren Körper. Genauso wie ihr Bauch sofort zu rebellieren begann und merkwürdige Geräusche von sich gab, doch darauf achtete sie jetzt nicht.
Er hatte sie allein gelassen, war einfach weggelaufen. Sie konnte fühlen und hören, dass er sich nicht mehr im Raum befand. Dies war kein Test! Das laute Dröhnen hatte ihn aufgeschreckt und fortgelockt. Hier war ihre Chance! Sarah wusste, dass sie wohl keine zweite bekommen würde, deshalb zögerte sie nicht eine Sekunde. Die Arme weit vors Gesicht gestreckt, die Hände gespreizt, machte sie sich auf die Suche nach einem Ausweg. In völlig fremdem Terrain war so etwas immer schwierig und Zeit raubend, doch Zeit hatte sie nicht, deshalb musste sie das Risiko eingehen, irgendwo anzustoßen. Lieber holte sie sich eine Beule, als sich noch mal in der kleinen Kammer einsperren zu lassen - oder gar in den Wald der Tausend Beinchen geschleppt
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