Blinder Instinkt - Psychothriller
Beförderungsdienst der Behinderteneinrichtung fährt, aus der in der Nacht von Samstag auf Sonntag die achtjährige Sarah verschwunden ist. Von dem blinden Mädchen fehlt nach wie vor jede Spur. Die Polizei will zu diesem Sachverhalt keine Auskunft geben und verweist auf die laufenden Ermittlungen.
Max Ungemach ließ die Zeitung sinken.
Zehn Zeilen folgten noch, doch da er den Artikel bereits ein Dutzend Mal gelesen hatte, reichte ihm der obere Teil. Darin standen die wesentlichen Informationen, der Rest war ohnehin nur zum Aufbauschen.
Seine Gedanken waren Max so fremd wie noch nie. Er konnte sie nicht einordnen, in keine der gängigen Schubladen ablegen, und sie machten ihm eine Höllenangst.Trotzdem würde er weitermachen. Der Entschluss war gefasst, ein Zurück gab es nicht. Dabei hatte er keine Angst vor dem, was ihn eventuell erwartete, sondern vor dem, was er zu tun bereit war. Er musste nur die Zeitung hochnehmen, den Artikel lesen und sich dann vorstellen, dass der Mann, der
Sina entführt und getötet hatte, frei herumlief und dasselbe nun anderen kleinen Mädchen antat, dann konnte er tief in sich fühlen, wie alle Barrieren niederbrachen.
Max wischte sich über die Augen.
Wusste er wirklich, auf was er sich einließ?
Wahrscheinlich nicht. Aber er war nie der Typ Mensch gewesen, der immer erst alles durchplante, bevor er aktiv wurde. Er war spontan, impulsiv, und das führte nicht immer auf dem leichtesten und kürzesten Weg zum Ziel - aber es führte dorthin.
In der Früh um sechs hatte er den Artikel in der Zeitung gelesen, noch bevor er zu seinem Morgenlauf aufgebrochen war. Mit Wut im Bauch war er dann trotzdem losgelaufen. Sie hatte ihn getragen, diese Wut, hatte ihn beinahe über den Boden schweben lassen, noch nie war ihm das Laufen derart leicht gefallen. Dieser Artikel war wie ein Startschuss für ihn. Ohne es zu wissen hatte er genau darauf gewartet, um endlich von der Leine gelassen zu werden.
Zurück in der Wohnung hatte er sofort seinen Trainer angerufen. Kolle hatte sich ohne zu zögern mit der Sportredaktion der Zeitung, zu der er einen guten Draht hatte, in Verbindung gesetzt und behauptet, die Schwester eines Freundes, die in der Nähe von Hannover lebte, plane, ihr behindertes Kind in Kurzzeitpflege zu geben, hatte nun aber Angst davor, es genau in das Heim zu geben, aus dem die kleine Sarah entführt worden war. Kolle hatte seinen Kontakt gebeten herauszufinden, um welches Heim es sich handelte, denn darüber war in den Zeitungen nichts zu finden gewesen. Nicht mehr, nur den Namen des Heimes, alles andere wäre zu verfänglich gewesen. Für den Typen bei der Zeitung war es ein Kinderspiel gewesen. Binnen fünf Minuten
hatte er trotz der polizeilich verhängten Nachrichtensperre die Adresse herausgefunden
Und nun stand Max vor dem Helenenstift.
Bereits seit einer halben Stunde parkte er auf einem schmalen Parkstreifen am Rande eines Waldes gegenüber der Einfahrt. Das Haus konnte er von dieser Position aus nicht sehen, da es hinter einer leichten Anhöhe versteckt lag. Zwei gemauerte Torpfeiler trugen ein gusseisernes Tor, das offen stand. Eine geteerte Zufahrt führte den grünen Hügel hinauf. Auf der Kuppe wuchsen große Nadelbäume, die die Sicht noch zusätzlich beeinträchtigten. Aber das machte nichts. Max musste das Gebäude gar nicht sehen. Es reichte völlig, wenn er den ein- und ausfahrenden Verkehr kontrollierte.
Leichter Nieselregen setzte ein. Tausende kleiner Wassertropfen verteilten sich gleichmäßig auf der Windschutzscheibe und behinderten seine Sicht. Da der Regen ohne Wind aus einem eintönig bleigrauen Himmel fiel, blieb jedoch die Seitenscheibe trocken, so dass er die Einfahrt immer noch gut im Blick hatte.
Max faltete die Zeitung zusammen und warf sie in den Fußraum vor dem Beifahrersitz. Immer und immer wieder darin zu lesen brachte ihn auch nicht weiter. Angestachelt und aufgebracht war er mittlerweile genug.
Ein Wagen näherte sich von hinten.
Max warf einen Blick in den Seitenspiegel.
Es handelte sich um einen großen weißen Transporter. Max’ Herz schlug schneller. Er hatte seinen Sitz so weit nach hinten verschoben, dass er praktisch hinter der breiten B-Säule verschwand und von draußen nicht gesehen werden konnte. Aus diesem Versteck heraus beobachtete er den
Transporter, der an ihm vorbeirollte. Er hatte den Blinker gesetzt und bremste ab, um in die Auffahrt einzubiegen. Da er langsam genug fuhr, konnte Max die Aufschrift auf der
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