Blinder Instinkt - Psychothriller
gegenüber war.«
Frau Zierkowski legte die Stirn in Falten, grübelte, schüttelte aber den Kopf. »Nein, im Moment fällt mir dazu wirklich nichts ein, aber …« Sie hielt inne, sah zu Franziska auf, öffnete dann eine Schublade zu ihrer Rechten und holte einen blauen Schnellhefter heraus. »Das ist die Liste, um die Sie mich gebeten haben. Ich denke, ich habe niemanden vergessen. Sie ist sehr umfangreich geworden.«
Franziska nahm sie entgegen. Wegen der Liste war sie hier, hatte aber schon befürchtet, dass die Heimleiterin damit überfordert sei. Jetzt war sie überrascht: fünfzehn Seiten Computerausdruck. Firmen, Namen, Adressen, teilweise auch Telefonnummern, logisch untergliedert nach Mitarbeitern, Ehemaligen, Lieferanten und Dienstleistern.
»Das ist mehr, als ich erwartet habe«, sagte Franziska und warf Frau Zierkowski ein Lächeln zu. »So detailliert bekommen wir eine solche Aufstellung selten. Vielen Dank!«
Frau Zierkowski schien sich trotz des Lobes nicht wohl zu fühlen. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. »Als ich daran gearbeitet habe, ist mir etwas eingefallen«, sagte sie.
Franziska war sofort alarmiert. Das war einer der Gründe, warum sie in der Regel um eine solche Liste bat. Schrieb man einen Namen auf, lieferte das Gedächtnis ein Bild dazu. Und weil das menschliche Gehirn bevorzugt mit Bildern arbeitete, löste so etwas oft verschüttete Erinnerungen aus.
»Und das wäre?«, fragte sie.
»Ich will auf keinen Fall jemanden zu Unrecht in Verdacht bringen, das müssen Sie mir glauben! Wahrscheinlich hat es auch gar nichts mit Sarah zu tun.«
»Frau Zierkowski!« Franziska rückte ein Stück an den Schreibtisch heran, verkürzte die Distanz zwischen sich und der Heimleiterin. »Sie können mir wirklich alles anvertrauen, auch wenn es Ihnen noch so abwegig erscheint. Selbstverständlich wahre ich strengste Diskretion. Riskieren Sie lieber, dass jemand unter falschen Verdacht gerät. Einen solchen Verdacht können wir jederzeit ausräumen. Besser das, als dass Sie schweigen und damit vielleicht den Täter decken. Damit könnten Sie nicht leben, glauben Sie mir.«
Die Heimleiterin sah sie an und nickte schließlich. Sie wirkte müde dabei. »Auf der Liste«, sagte sie und deutete mit dem Kinn darauf, »finden Sie einen Herrn Rolf Wilkens. Die Adresse steht dabei, eine Telefonnummer habe ich leider nicht. Herr Wilkens war bis vor drei Jahren bei uns als Hausmeister beschäftigt. Wir, das heißt ich habe ihm gekündigt. Das war damals eine unschöne Sache mit viel Streit und Unruhe.«
»Warum wurde ihm gekündigt?«
»Ach, da kam vieles zusammen. Er war hin und wieder betrunken, kam oft zu spät, es dauerte viel zu lange, bis er kleine Aufträge erledigte, solche Sachen eben.«
»Aber das allein führte nicht zu seinem Rauswurf, nicht wahr?«
Frau Zierkowski schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. »Nein … Da war noch etwas anderes. Ein paar Mädchen und zwei Pflegerinnen haben sich damals darüber beschwert, dass Herr Wilkens einige Male gerade dann in den Duschräumen der Mädchen Reparaturen durchführen wollte, wenn sie duschten. Ich habe ihn ermahnt, aber er hat es noch zwei weitere Male getan. Da war für mich die Grenze überschritten.«
»Er war also mehrere Male in den Duschräumen der Mädchen, während sie duschten? Welche Gründe gab er dafür an?«
»Das weiß ich nicht mehr. Aber es waren Kleinigkeiten, die warten konnten, deshalb haben sich ja alle so aufgeregt. Zusammen mit seiner Unzuverlässigkeit reichte es aus meiner Sicht für eine Kündigung.«
»Hat Herr Wilkens sich dagegen gewehrt?«
»Er wurde sehr laut, beschimpfte mich und drohte mit einer Klage, die aber nie erfolgte.«
Franziska nickte. »Wissen Sie, was Herr Wilkens jetzt macht?«
»Soweit ich weiß hat er den Laden seiner Eltern übernommen … Ein Fischfeinkostgeschäft unter der Adresse, die auf der Liste steht. Ich kann mich auch erinnern, dass er seinerzeit ein begeisterter Angler war. Hat sein Angelzeug immer im Wagen gehabt und für einige Mitarbeiter hier Fische geräuchert. Die sollen immer sehr lecker gewesen sein.«
Während sie zuhörte, suchte Franziska Herrn Wilkens aus der Liste heraus. Er stand auf Seite drei unter den entlassenen Mitarbeitern der letzten vier Jahre. Ohne genau sagen zu können, warum, war sie plötzlich wie elektrisiert. Das alles klang höchst interessant, aber da war noch mehr. Irgendwo in ihren Gedanken wollte sich eine
Weitere Kostenlose Bücher