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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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keine zehn Zentimeter von seinem entfernt. Sein Trainer schien durch seine Augen kriechen zu wollen, um in seinem Kopf nach dem Rechten zu sehen.
    »Du wirkst unkonzentriert«, sagte er.
    »Ist vielleicht nicht mein Abend …«
    »Okay«, sagte Kolle und drückte ihm die Trinkflasche abermals in den Mund, »dann warte nicht bis zur vierten Runde. Schick ihn auf die Bretter. Vielleicht hast du einen Infekt.«
    Dagegen hätte Max widersprechen können, doch er tat es nicht. Der Mundschutz wurde ihm wieder zwischen die Zähne gesteckt. Kolle rieb Vaseline auf seine Augenbrauen und Wangenknochen, sah ihn dabei fest an.
    »Mach es einfach! Hörst du?«
    Max nickte. Und warum auch nicht? Warum sollte er etwas riskieren? Das würde ihm später niemand danken, und für dieses Publikum, das ihn sowieso hasste, musste er keine perfekte Show hinlegen. Je eher er aus diesem Hexenkessel herauskam, desto besser.
    Der Gong ertönte. Max federte in den Ring, als sei nichts gewesen. In seinem Kopf aber herrschte noch immer Verwirrung.
Von der Konzentration, zu der er sonst fähig war, war er meilenweit entfernt. Wenn das nur gut ging!
    De Martin war wieder etwas vorsichtiger geworden, besann sich seiner perfekten Deckung, doch er war in der Pflicht, musste den ersten Schritt tun, seine Fans verlangten es von ihm. Lautstark feuerten sie ihn an. Also startete er einen Angriff.
    Max hatte damit gerechnet.
    Er ließ ihn kommen, wich einem halbherzigen Schlag aus und legte dann alle Kraft in seine ohnehin gefürchtete Rechte. Seine Faust schoss vor, krachte gegen die erhobene Deckung de Martins, schüttelte ihn ordentlich durch und warf ihn gegen die Seile. Max setzte nach, schickte eine schnelle Kombination hinterher, von der ein Schlag an de Martins Schläfe explodierte. Er war nicht hart genug, um den Hünen zu fällen, reichte aber aus, dessen Deckung erneut zu öffnen.
    Da war er. Der Solarplexus.
    Als gäbe es eine geheimnisvolle Verbindung, fand Max’ rechte Faust ihren Weg dorthin. Sie traf den Jungen zwei Zentimeter unterhalb des Brustbeins. De Martin gab ein lautes »Uff« von sich, so als würde ihm sämtliche Luft aus der Lunge gedrückt, dann taumelte er zurück und krümmte sich zusammen.
    Normalerweise hätte Max jetzt gewartet, den Kampf noch ein wenig hinausgezögert, doch nicht heute. Die nächste Rechte traf den Italiener ungeschützt am Kopf. Es war ein fürchterlicher Schlag, den niemand einfach so wegsteckte. Wie in Zeitlupe sah Max, was nun passierte.
    Der Kopf des Jungen wurde zur Seite geschleudert. Blut spritzte aus einem Cut unter dem linken Auge. De Martin
wurde für einen Moment stocksteif, verdrehte die Augen und ließ die Arme fallen. Während ein ungläubiges Raunen durch die Menge ging, sackte der Hüne auf die Knie und schlug dann der Länge nach vornüber.
    Der Ringboden erzitterte unter Max’ Füßen.
    Der Ringrichter schob ihn weg. Dann begann er, den Italiener anzuzählen.
    »Eins … zwei … drei … vier …«
    Das alles war für Max weit weg. Er wusste, dass er gewonnen hatte, dass er weiterhin Europameister bleiben und eine dicke Börse einstreichen würde, trotzdem tobte in seinem Kopf ein Unwettersturm der Erinnerung, der nichts mit all dem hier zu tun hatte.
    »Zehn.«

6
    Die noch unbenutzte, scharfe Spitze des feinen Skalpells drang mühelos in ihre Augenhöhle ein. Er spürte keinerlei Widerstand, selbst dann nicht, als er den Sehnerv durchtrennte. Es war eine Sache von wenigen Minuten, ihr die Augen herauszuschneiden. Sie fielen direkt auf das doppelt gefaltete Stück Küchenkrepp vor ihm auf dem Tisch. Natürlich zappelte sie dabei, versuchte sogar ihn zu beißen, aber ihre Zähne drangen nicht durch den derben Stoff des Arbeitshandschuhs, den er zum Schutz trug.
    Im Laufe der Zeit hatte er eine gewisse Routine und Kunstfertigkeit darin entwickelt, ihnen die Augen zu entfernen. Die ersten Versuche damals waren kläglich gescheitert. Er war mit dem Skalpell viel zu tief in die Augenhöhle
eingedrungen, hatte dabei ihr Gehirn verletzt, und sie waren auf eine abstoßende Art verendet. Hatten sich verkrampft, gepinkelt und gekotet und wie kleine Zombies gezappelt, bis es nach weniger als einer Minute vorbei war. Ein paar Mal war das zwar interessant gewesen, aber alles andere als zielführend, deshalb hatte er begonnen, seine Technik und sein Werkzeug zu verfeinern. Das Skalpell, welches er nun benutzte, war in der Spitze so fein, dass man einen Grashalm damit spalten konnte. Außerdem nahm

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