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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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drüben trinkt ein Bier, und es ist erst sieben Uhr morgens.«
    Marino verstand das als Weckruf.
    »Willst du was?«, fragte er. »Wie wär's mit einer Zeitung?«
    »Im Augenblick ist mir vollkommen egal, was in der Welt los ist.« Ich wünschte, er würde mich in Ruhe lassen.
    Als er zurückkam, brachte er zwei Teller mit Croissants, Käse und Crackern mit. Unter seinem Arm klemmte eine Dose Heineken.
    »Weißt du was?«, sagte er und stellte sein Frühstück auf den Tisch neben sich. »Es ist fast drei Uhr nachmittags französischer Zeit.«
    Er machte die Bierdose auf.
    »Da mischen Leute Champagner mit Orangensaft. Hast du so was schon mal gesehen? Und ich bin ziemlich sicher, dass dort drüben jemand Berühmtes sitzt. Sie trägt eine Sonnenbrille, und alle starren sie an.«
    Es war mir gleichgültig.
    »Der Typ, der bei ihr ist, sieht auch irgendwie berühmt aus. So ähnlich wie Mel Brooks.«
    »Sieht die Frau mit der Sonnenbrille wie Anne Bancroft aus?«, murmelte ich.
    »Ja!«
    »Dann ist es Mel Brooks.«
    Andere weit teurer als wir gekleidete Passagiere warfen uns Blicke zu. Ein Mann raschelte mit Le Monde und nippte an einem Espresso.
    »Ich habe sie in Die Reifeprüfung gesehen. Erinnerst du dich?«, fuhr Marino fort.
    Ich war jetzt wach und wünschte, ich könnte mich irgendwo verstecken.
    »Sie war mein Schwarm. Scheiße. Wie die Lehrerin, die nach der Schule Nachhilfe gab. Die dafür sorgte, dass man die Beine übereinander schlug.«
    »Kannst du die Concorde da drüben durchs Fenster sehen?« Ich deutete.
    »Ich kann nicht glauben, dass ich keinen Fotoapparat dabei habe.« Er trank einen Schluck Bier.
    »Vielleicht solltest du einen kaufen gehen«, schlug ich ihm vor.
    »Meinst du, dass sie hier die kleinen Wegwerfkameras haben?« »Nur französische.«
    Er zögerte einen Augenblick lang, dann warf er mir einen verächtlichen Blick zu. »Bin gleich wieder da.«
    Selbstverständlich vergaß er sein Ticket und seinen Pass in der Tasche seines Mantels, der auf einem Stuhl lag, und als wir aufgefordert wurden, an Bord zu gehen, pagte er mir, dass man ihn nicht zurück in die Lounge ließ. Er wartete am Schalter, sein Gesicht zornrot, ein Sicherheitsbeamter neben ihm.
    »Tut mir Leid«, sagte ich und reichte einem Air-FranceAngestellten Marinos Pass und Ticket.
    »Lass uns diese Reise nicht so beginnen«, sagte ich leise zu ihm, als wir durch Lounge gingen und anderen Passagieren ins Flugzeug folgten.
    »Ich habe diesem Haufen französischer Idioten gesagt, dass ich das Zeug holen würde. Wenn die Leute Englisch reden würden, wie es sich gehört, würde so eine Scheiße nicht passieren.«
    Wir saßen nebeneinander, aber glücklicherweise war das Flugzeug nicht voll, und ich setzte mich auf die andere Seite des Gangs. Er schien das persönlich zu nehmen, bis ich ihm die Hälfte meines Hähnchens in Zitronensauce, meine Biskuitrolle mit Vanillemousse und meine Schokolade gab. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Bier er trank, aber während wir doppelte Schallgeschwindigkeit flogen, war er eine Menge unterwegs in dem schmalen Gang. Um achtzehn Uhr zwanzig landeten wir auf dem Flughafen Charles de Gaulle.
    Ein dunkelblauer Mercedes holte uns vor dem Terminal ab, und Marino versuchte mit dem Fahrer ins Gespräch zu kommen, der ihn jedoch weder vorn sitzen ließ noch auf ihn achtete. Marino rauchte missmutig zum Fenster hinaus, während kalte Luft hereinströmte und er zusah, wie wir an hässlichen, mit Graffiti besprühten Wohnblocks und ewig langen Rangierbahnhöfen vorbei auf die hell erleuchtete Skyline einer modernen Stadt zufuhren. Die großen multinationalen Götter Hertz, Honda, Technics und Toshiba funkelten in der Nacht von ihren olympischen Höhen herab.
    »Mann, das könnte genauso gut Chicago sein«, beschwerte er sich. »Ich fühl mich echt komisch.«
    »Jetlag.«
    »Ich war schon an der Westküste und hab mich nicht so gefühlt.«
    »In diese Richtung ist der Jetlag schlimmer.«
    »Ich glaube, es hängt mit der Geschwindigkeit zusammen«, fuhr er fort. »Denk doch mal drüber nach. Man guckt aus dem kleinen Fenster, als würde man in einem Raumschiff sitzen, stimmt's? Man kann nicht mal den verdammten Horizont sehen.
    In dieser Höhe gibt's keine Wolken, die Luft ist zu dünn zum Atmen, wahrscheinlich hat es fünfzig Grad unter Null. Keine Vögel, keine normalen Flugzeuge, nichts.«
    Ein Polizeibeamter in einem blauweißen Citroen mit roten Streifen winkte in der Nähe der Banque de France einen Raser

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