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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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du mit ihm geschlafen hast, heißt das noch lange nicht, dass er ausschließlich dir gehört hat.«
    Ich ging schnell auf ihn zu und konnte mich gerade noch bremsen, bevor ich ihn ins Gesicht schlug.
    »Oh Gott«, murmelte ich und starrte in seine entsetzten Augen.
    »Oh Gott.«
    Ich dachte an Lucy, die Jo geschlagen hatte, und entfernte mich von ihm. Er ging zum Fenster und rauchte. Der Raum war erfüllt von Unglück und Scham, und ich lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Nie in meinem Leben war ich so nahe daran gewesen, gewalttätig zu werden, nicht bei jemandem wie Marino, den ich kannte und mochte.
    »Nietzsche hatte Recht«, murmelte ich niedergeschlagen. »Such dir deine Feinde gut aus, weil sie diejenigen sind, denen du ähnlich wirst.«
    »Tut mir Leid«, sagte Marino kaum hörbar.
    »Wie mein erster Mann, wie meine idiotische Schwester, wie jede unkontrollierte, grausame, selbstsüchtige Person, die ich kenne. Hier bin ich. Wie sie.«
    »Nein, das bist du nicht.«
    Ich presste die Stirn gegen die Wand, als würde ich beten, und ich war dankbar, dass es ziemlich dunkel und mein Rücken ihm zugekehrt war, damit er meine Qualen nicht sah.
    »Ich habe es nicht so gemeint, Doc. Ich schwöre es. Ich habe es nicht so gemeint. Ich weiß überhaupt nicht, warum ich es gesagt habe.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Ich versuche nur, die Einzelheiten zu analysieren, weil sie nicht zusammenpassen.«
    Er ging zu einem Aschenbecher und drückte seine Zigarette aus.
    »Ich weiß nicht, warum wir hier sind«, sagte er. »Wir sind nicht hier, um uns gegenseitig niederzumachen«, sagte ich.
    »Ich verstehe nicht, warum sie uns die Informationen nicht über Computer schicken, wie sie es sonst immer tun. Verstehst du das?«
    »Nein«, flüsterte ich und holte tief Luft.
    »Deswegen hat sich bei mir irgendwie der Gedanke eingeschlichen, dass Benton - Was wenn irgendeine Geschichte am Laufen war und er für eine Weile in ein Zeugenschutzpro-gramm musste? Seine Identität ändern und so. Wir wussten nicht immer, woran er arbeitete. Nicht mal du hast es immer gewusst, weil er es dir nicht immer sagen konnte, und er wollte uns nie in Gefahr bringen, indem er was erzählt hätte, was wir nicht wissen durften. Besonders dich wollte er schützen, damit du dir nicht ständig Sorgen um ihn machst.«
    Ich schwieg.
    »Ich will nichts aufrühren. Ich sage nur, dass wir auch darüber nachdenken sollten«, fügte er lahm hinzu.
    »Nein, das ist es nicht«, sagte ich und räusperte mich. Mir tat alles weh. »Wir sollten nicht darüber nachdenken. Er wurde identifiziert, Marino, auf alle möglichen Arten. Carrie Grethen hat ihn nicht umgebracht, damit er bequem für eine Weile verschwinden konnte. Siehst du denn nicht, wie unmöglich das ist?
    Er ist tot, Marino. Er ist tot.«
    »Warst du bei seiner Autopsie dabei? Hast du seinen Autopsiebericht gelesen?« Er wollte nicht damit aufhören. Bentons Überreste waren in Philadelphia untersucht worden. Ich hatte nie darum gebeten, seine Akten zu sehen.
    »Nein, du warst bei seiner Autopsie nicht dabei, und wenn du dabei gewesen wärst, hätte ich dich für die kaputteste Person gehalten, der ich je über den Weg gelaufen bin«, sagte Marino.
    »Du hast also nichts gesehen. Du weißt nur, was man dir gesagt hat. Ich will nicht darauf herumreiten, aber es ist die Wahrheit.
    Und wenn jemand verheimlichen wollte, dass die Überreste nicht von ihm stammten, wie wolltest du das herausfinden, wenn du nicht dabei warst?«
    »Gieß mir einen Scotch ein«, sagte ich.

32
    Ich wandte mich wieder Marino zu, lehnte mich mit dem Rücken gegen die Wand, als hätte ich nicht genügend Kraft, um auf eigenen Beinen zu stehen.
    »Mann, schau nur, was Whiskey hier kostet«, sagte Marino, als er die Minibar schloss.
    »Mir egal.«
    »Interpol wird wahrscheinlich sowieso alles zahlen.« »Und ich brauche eine Zigarette.«
    Er zündete eine Marlboro für mich an, und der erste Zug traf meine Lunge. Er stellte sich vor mich mit einem Malzwhiskey on the rocks in der einen und einem Beck's Bier in der anderen Hand.
    »Ich will ja nur sagen«, nahm Marino den Faden wieder auf, »wenn Interpol diesen ganzen Geheimscheiß mit elektronischen Tickets, teuren Hotels und Concordes machen kann, und man trifft keine Menschenseele, die mit diesen Leuten - wer immer die sind - jemals gesprochen hat, wie kommst du dann darauf, dass sie nicht auch alles andere vortäuschen können?«
    »Sie konnten nicht vortäuschen,

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