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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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und stellte den Ordner auf den Teppich.
    »Agent Talley«, sagte Mirot, »machen Sie den Anfang. Sie werden entschuldigen, wenn ich gleich zum Kern der Sache komme«, fuhr er an uns gewandt fort. »Wir haben nur wenig Zeit.«
    »Zuerst möchte ich erklären, warum das ATF etwas mit Ihrem nicht identifizierten Fall zu tun hat«, sagte Talley zu Marino und mir. »Sie sind mit HIDTA vertraut. Möglicherweise durch Ihre Nichte Lucy.«
    »Der Fall hat nichts mit ihr zu tun«, sagte ich nervös.
    »Wie Sie wahrscheinlich wissen, stellt das HIDTA Spezialeinheiten auf, um flüchtige Gewaltverbrecher zu jagen«, sagte er, statt auf meine Bemerkung einzugehen. »FBI, DEA, örtliche Polizeieinheiten und natürlich das ATF vereinen in wichtigen, besonders schwierigen Fällen ihre Ressourcen.«
    Er zog seinen Stuhl näher zu uns.
    »Vor ungefähr einem Jahr«, fuhr er fort, »haben wir eine Spezialeinheit ins Leben gerufen, um eine Reihe von Morden in Paris aufzuklären, die nach unserer Meinung vom selben Täter begangen wurden.«
    »Von einem Serienmörder in Paris ist mir nichts bekannt«, sagte ich.
    »In Frankreich haben wir die Medien besser unter Kontrolle als Sie«, sagte der Generalsekretär. »In den Nachrichten wurde über die Morde berichtet, Dr. Scarpetta, aber nicht in allen Einzelheiten und ohne eine Sensation daraus zu machen. Die Pariser wissen, dass ein Mörder unterwegs ist, und Frauen wurde geraten, Fremden nicht die Tür zu öffnen und so weiter. Aber das ist alles. Wir glauben, dass es nichts nützt, Blut, zertrümmerte Knochen, zerrissene Kleidung, Bisswunden oder sexuelle Abartigkeiten in die Öffentlichkeit zu tragen.«
    »Woher stammt der Name Loup-Garou?«, fragte ich.
    »Von ihm«, sagte Talley, während sein Blick kurz meinen Körper streifte und dann davonflog wie ein Vogel.
    »Vom Mörder?«, sagte ich. »Sie meinen, er nennt sich selbst Werwolf?«
    »Ja.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, schaltete sich Marino ein, und ich sah ihm an, dass er auf Ärger aus war. Talley zögerte und blickte zu Mirot.
    »Was macht der Dreckskerl?«, sprach Marino weiter. »Hinterlässt er seinen Spitznamen auf kleinen Zetteln am Tatort? Vielleicht steckt er sie mit einer Nadel an die Leichen wie im Film?
    Das ist es, was ich nicht ausstehen kann, wenn sich große Organisationen in solche beschissenen Fälle einmischen.
    Die besten Leute in der Verbrechensbekämpfung sind solche Tölpel wie ich, die herumlaufen und sich die Schuhe dreckig machen. Wenn diese hochrangigen Spezialeinheiten und Computersysteme eingesetzt werden, verpufft die ganze Sache in der Stratosphäre. Dann wird alles zu schlau, obwohl das, was den Ball ins Rollen gebracht hat, gar nicht schlau ist im eigentlichen Sinn -«
    »Da täuschen Sie sich«, unterbrach ihn Mirot. »Loup-Garou ist sehr schlau. In seinem eigenen Interesse hat er uns seinen Namen in einem Brief mitgeteilt.«
    »In einem Brief an wen?«, fragte Marino.
    »An mich«, sagte Talley.
    »Wann war das?«, fragte ich.
    »Vor ungefähr einem Jahr. Nach dem vierten Mord.«
    Er öffnete den Aktenordner und holte einen mit Plastikfolie geschützten Brief heraus, den er mir reichte. Seine Finger streiften meine. Der Brief war auf Französisch geschrieben. Es war dieselbe merkwürdig eckige Handschrift wie auf der Schachtel im Container. Auf das Papier war der Name einer Frau gedruckt, und es war mit Blut verschmiert.
    »Er schreibt«, sagte Talley, »Für die Sünden von einem sollen alle sterben. Der Werwolf. Das Briefpapier gehörte dem Opfer, und es ist ihr Blut. Damals war es mir allerdings ein Rätsel, woher er wusste, dass ich an den Ermittlungen beteiligt war. Und das führt uns zu der Theorie, die uns veranlasst hat, Sie hierher zu bitten. Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Mörder aus einer einflussreichen Familie stammt, der Sohn von Leuten ist, die genau wissen, was er tut, und die dafür sorgen, dass er nicht gefasst wird. Nicht notwendigerweise, weil ihnen etwas an ihm liegt, sondern weil sie alles tun müssen, um sich selbst zu schützen.«
    »Und dazu gehört auch, ihn in einem Container zu verschiffen?«, fragte ich. »Tot und nicht identifiziert, tausende Kilometer von Paris entfernt, weil sie genug von ihm hatten?«
    Mirot musterte mich, Leder knarzte, als er sich bewegte und einen silbernen Stift aus der Tasche nahm.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Talley zu mir. »Zuerst sah es so aus, ja. Wir dachten, dass es so wäre, weil alles darauf hindeutete, dass der

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