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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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weiter der Vormittag voranschritt, desto verdrossener wurde Marino.
    »Wir glauben, dass Folgendes passiert ist«, sagte Talley und ignorierte Marino. »Am vierundzwanzigsten November dieses Jahres, nur zwei Tage bevor die Sirius in See stach, unternahm der Mann, der sich Loup-Garou nennt, seinen letzten Mordversuch in Paris. Wohl gemerkt, einen Mordversuch. Die Frau ist entkommen.
    Es war gegen halb neun Uhr abends, als jemand an ihre Tür klopfte. Als sie öffnete, stand ein Mann auf der Treppe. Er war höflich und drückte sich gewählt aus, hatte gute Manieren. Sie meinte, dass sie sich an einen eleganten, langen dunklen Mantel erinnerte, vielleicht Leder, und einen dunklen Schal, der im Kragen steckte. Er sagte, dass er in einen kleinen Autounfall verwickelt sei, und bat sie, ihr Telefon benutzen zu dürfen, um die Polizei zu rufen. Er wirkte sehr überzeugend. Sie wollte ihn gerade einlassen, als ihr Mann ihr aus dem Haus etwas zurief, und der Fremde flüchtete.«
    »Hat sie ihn genau gesehen?«, fragte Marino.
    »Der Mantel, der Schal, vielleicht ein Hut. Sie ist sich ziemlich sicher, dass er die Hände in die Manteltaschen gesteckt und die Schultern gegen die Kälte hochgezogen hatte«, sagte Talley.
    »Sein Gesicht hat sie nicht gesehen, weil es dunkel war. Insgesamt hatte sie den Eindruck, dass er ein höflicher, freundlicher Herr war.«
    Talley hielt inne.
    »Noch Kaffee? Wasser?«, fragte er alle, während er mich ansah.
    Er beugte sich vor, um mir nachzuschenken, und ich bemerkte, dass er im rechten Ohr einen winzigen Diamantstecker trug.
    »Zwei Tage nach diesem Vorfall, am vierundzwanzigsten November, sollte die Sirius in Antwerpen in See stechen, ebenso ein anderes Schiff, die Exodus, ein marokkanisches Schiff, das regelmäßig Phosphat nach Europa bringt«, nahm Talley den Faden wieder auf.
    »Aber Thomas Chandonne hatte einen hübschen kleinen Umweg für die Exodus vorgesehen, die schließlich in Miami vor Anker ging mit jeder Menge Waffen und Sprengstoff an Bord, versteckt in den Säcken mit Phosphat. Wir wussten, was er vorhatte, und vielleicht sehen Sie jetzt die Verbindung zur HIDTA.
    Die Schießerei, bei der Ihre Nichte beteiligt war? Eins der vielen Nebenprodukte von Thomas' Aktivitäten.«
    »Offenbar ist ihm seine Familie draufgekommen«, sagte Marino.
    »Wir glauben, dass er lange damit durchkam, indem er ungewöhnliche Routen benutzte, Bücher fälschte, was auch immer«, sagte Talley. »Auf der Straße heißt so was jemanden übers Ohr hauen. Der juristische Fachausdruck ist Unterschlagung. Die Familie Chandonne nennt es Selbstmord. Wir wissen nicht, was weiter geschah, aber etwas ist passiert, weil wir dachten, er wäre auf der Exodus, aber er war es nicht.«
    »Und warum nicht?« Talley tat, als wäre es eine rhetorische Frage. »Weil er wusste, dass man ihm auf die Spur gekommen war. Er ließ seine Tätowierung verändern. Er wählte einen kleinen Hafen, wo wahrscheinlich niemand nach einem blinden Passagier suchen würde.« Talley sah mich an. »Richmond war eine gute Wahl. Es gibt nur noch wenige Nischenhäfen in den Vereinigten Staaten, und zwischen Richmond und Antwerpen verkehren regelmäßig Schiffe.«
    »Thomas benutzte also einen Decknamen -« sagte ich.
    »Einen von vielen«, warf Mirot ein.
    »Er hatte sich auf der Sirius anheuern lassen. Er wollte im sicheren Hafen von Richmond vor Anker gehen, während die Exodus ohne ihn nach Miami unterwegs war«, sagte Talley.
    »Und was hat der Werwolf mit der ganzen Sache zu tun?«, fragte Marino.
    »Darüber können wir nur spekulieren«, sagte Mirot. »Loup-Garou gerät immer mehr außer Kontrolle, sein letzter Mordversuch ging schief. Er wurde womöglich gesehen. Vielleicht hat seine Familie genug, plant, ihn auszuschalten, und er weiß es.
    Vielleicht weiß er, dass sein Bruder vorhat, auf der Sirius das Land zu verlassen. Vielleicht hat er Thomas beschattet, wusste von der veränderten Tätowierung und so weiter. Er ertränkt Thomas, versteckt die Leiche in dem Container und lässt es so aussehen, als wäre der Tote er, Loup-Garou.«
    »Hat er Kleider mit ihm getauscht?«, fragte mich Talley.
    »Wenn er plante, an Thomas' statt auf einem Schiff anzuheuern, dann wird er dort nicht in Kleidern von Armani auftauchen.«
    »Was wurde in seinen Taschen gefunden?« Talley schien sich gegen mich zu lehnen, auch wenn er aufrecht saß.
    »Auch ausgetauscht«, sagte ich. »Das Feuerzeug, das Geld, alles.
    Aus Thomas' Taschen herausgenommen

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