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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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hat sie tot geprügelt«, sagte Butterfield.
    »Was noch?«, fragte Marino.
    »Sexuelle Tätlichkeiten. Und Raub. Geldbörse liegt auf dem Boden, kein Geld mehr drin. Ihre Handtasche ausgeleert. Passen Sie auf, wohin Sie treten«, fügte er hinzu, als ob wir das nicht wüssten.
    »Verdammt, die hatte Geld, kein Scheiß«, sagte Marino und sah sich die teuren Möbelstücke in Brays teurem Heim an.
    »Das ist erst der Anfang«, erwiderte Butterfield.
    Als Erstes fiel mir die Uhrensammlung im Wohnzimmer auf.
    Standuhren und hängende Wanduhren aus Rosenholz, Walnuss und Mahagoni, Kalenderuhren, große Uhren, kleine Uhren, alle antik und perfekt synchronisiert. Sie tickten laut und hätten mich in den Wahnsinn getrieben, hätte ich inmitten dieser monotonen Zeitmesser leben müssen.
    Sie mochte große, behäbige englische Antiquitäten. Eine Recamiere und ein rollender Bücherwagen mit falschen Lederrücken als Unterteiler standen vor dem Fernsehgerät. Hier und dort waren unbequeme Armlehnstühle mit gemusterter Polsterung wahllos platziert, als hätte nie jemand daran gedacht, sich darauf zu setzen. Ein massiver ebenholzschwarzer Schrank beherrschte den Raum. Die schweren goldenen Damastvorhänge waren zugezogen, Spinnweben hingen zwischen den Schachtelfalten der Querbehänge. Ich sah keinen Kunstgegenstand, keine Skulptur, kein Bild, und mit jedem weiteren Detail, das mir auffiel, erschien mir Brays Persönlichkeit kälter und anmaßender.
    Ich mochte sie noch weniger. Das war schwer einzugestehen, da sie gerade erst zu Tode geprügelt worden war.
    »Woher hatte sie das Geld?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung«, sagte Marino.
    »Das fragen wir uns alle, seitdem sie da ist«, sagte Butterfield.
    »Haben Sie ihr Auto gesehen?« »Nein«, sagte ich.
    »Hm, sie fährt jeden Abend in einem brandneuen Crown Vic nach Hause«, sagte Marino.
    »Ein verdammter Jaguar, rot wie ein Feuerwehrauto. In der Garage. Baujahr 98 oder 99. Kann nicht einmal raten, was der kostet.« Butterfield schüttelte den Kopf.
    »Zwei von Ihren beschissenen Jahresgehältern«, meinte Marino.
    »Echt.«
    Sie unterhielten sich weiter über Brays Geschmack und Reichtum, als würde ihr erschlagener Körper nicht existieren. Ich entdeckte nichts, was darauf hindeutete, dass im Wohnzimmer ein Kampf stattgefunden hätte oder dass jemand diesen Raum wirklich benutzt oder sich die Mühe gemacht hätte, ihn zu putzen.
    Rechts neben dem Wohnzimmer befand sich die Küche. Ich blickte hinein, um mich nach Blut oder anderen Spuren von Gewalttätigkeit umzusehen, und fand nichts. Auch die Küche wirkte nicht bewohnt. Abstellflächen und der Herd waren makellos sauber. Ich sah keine Lebensmittel außer einer Tüte mit Kaffee und ein kleines Weinregal mit drei Flaschen Merlot.
    Marino drängte sich an mir vorbei durch die Tür und öffnete mit behandschuhten Händen den Kühlschrank.
    »Sieht nicht so aus, als hätte sie gern gekocht«, sagte er angesichts der fast leeren Fächer.
    Ich sah einen Viertelliter Magermilch, Mandarinen, Margarine, eine Schachtel mit Studentenfutter und Gewürze. Das Gefrierfach war gleichfalls enttäuschend.
    »Sieht aus, als wäre sie nie zu Hause gewesen oder ständig zum Essen gegangen«, sagte er und trat auf das Pedal des Abfalleimers.
    Er langte hinein und holte Streifen einer zerrissenen Pizzaschachtel, eine Weinflasche und drei Bierflaschen der Marke St. Pauli Girl heraus. Er setzte die Stücke einer Quittung zusammen.
    »Eine mittelgroße Pizza mit Pepperoni und extra viel Käse«, murmelte er. »Bestellt gestern Abend um siebzehn Uhr dreiundfünfzig.«
    Er wühlte weiter und fand zerknüllte Servietten, drei Stücke Pizza und mindestens ein halbes Dutzend Zigarettenkippen.
    »Jetzt wird's gemütlich«, sagte er. »Bray hat nicht geraucht.
    Sieht aus, als hätte sie gestern Abend Gesellschaft gehabt.«
    »Wann kam der Notruf?«
    »Um neun Uhr vier. Vor eineinhalb Stunden. Und es sieht nicht so aus, als hätte sie heute Morgen Kaffee gekocht und die Zeitung gelesen.«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass sie heute Morgen schon tot war«, sagte Butterfield.
    Wir gingen weiter durch einen mit Teppich belegten Flur zum Schlafzimmer auf der Rückseite des Hauses. Als wir die Tür erreichten, blieben wir beide stehen. Gewalttätigkeit schien alles Licht und alle Luft zu absorbieren. Die Stille war vollkommen, Blut und Zerstörung allgegenwärtig.
    »Heiliger Himmel«, sagte Marino leise.
    Weiße Wände, der Boden, die Zimmerdecke, die

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