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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verloren sind. Ähnlich wie in Richmond. Mann, ich fühle mich vielleicht beschissen.«
    Beide trugen abgewetzte Jeans und zerknitterte Blusen und hatten nichts weiter getan, als Gel in ihr Haar zu schmieren. Müde und verkatert standen wir auf meiner Einfahrt. Haus- und Straßenlampen waren erloschen, als sich der Himmel dämmrig blau verfärbte. Die Sicht war schlecht, wir erkannten nur unsere Umrisse, die glänzenden Augen und den nebligen Atem. Es war kalt. Der Raureif auf unseren Autos sah aus wie Spitzengewebe.
    »Aber die Hundertfünfundsechziger werden auch nicht überleben«, nahm Lucy den Mund voll. »Und darauf freue ich mich.«
    »Wer?«, fragte ich.
    »Die scheiß Waffenschieber, hinter denen wir her sind. Erinnere dich, ich habe dir erzählt, dass wir sie Hundertfünf-undsechziger nennen, weil ihre Lieblingsmunition einhundert-fünfundsechzig Speer Gold Dot ist. Erstklassige Ware, heißes Zeug. Die und alle möglichen anderen Bonbons - Waffen aus Raubüberfällen, Gewehre Kaliber 223, vollautomatische Scheiße aus Russland und China - kommt alles über Brasilien, Venezuela, Kolumbien oder Puerto Rico ins Land.
    Einiges von diesem Zeug wird, in Einzelteile zerlegt, in Containerschiffen ins Land geschmuggelt, ohne dass die Besatzung davon weiß«, fuhr sie fort. »Der Hafen von L. A. zum Beispiel. Dort wird alle eineinhalb Minuten ein Container entladen. Völlig unmöglich, die alle zu durchsuchen.«
    »Stimmt.« In meinem Kopf pochte es.
    »Wir fühlen uns echt geschmeichelt, dass wir diesen Auftrag bekommen haben«, sagte Jo trocken. »Vor zwei Monaten wurde in einem Kanal im Süden Floridas die Leiche eines Typs aus Panama gefunden, der höchstwahrscheinlich mit diesem Kartell in Verbindung stand. Als sie ihn obduzierten, fanden sie im Magen seine Zunge, weil seine Landsleute sie abgeschnitten und ihn gezwungen hatten, sie runterzuschlucken.«
    »Ich glaube nicht, dass ich das alles hören will«, sagte ich, während das Gift wieder in meine Gedanken sickerte.
    »Ich bin Terry«, informierte mich Lucy. »Sie ist Brandy.« Sie lächelte Jo an. »Mädels von der Universität von Miami, die ihr Studium kurz vor dem Abschluss geschmissen haben. Aber wer braucht schon einen Abschluss, wo wir doch während der Semester hart daran gearbeitet haben, Rauschgift zu nehmen und gevögelt zu werden, und dabei ein paar gute Adressen für Raubüberfälle in Erfahrung gebracht haben. Wir haben ein nette Beziehung aufgebaut zu zwei Hundertfünfundsechzigern, die Waffen, Bargeld und Drogen aus Häusern holen. Im Augenblick versuchen wir einen Typ auf Fisher Island in die Falle zu locken, der genügend Waffen hat, um eine eigene Waffenhandlung aufzumachen, und genügend Kokain, um es schneien zu lassen.«
    Ich ertrug es nicht, sie so reden zu hören.
    »Das Opfer ist natürlich auch ein Undercover-Agent«, fuhr Lucy fort, während große dunkle Krähen schrille Schreie ausstießen und im Haus gegenüber das Licht anging.
    Ich sah Kerzen in Fenstern und Kränze an Türen. Ich hatte bislang überhaupt nicht an Weihnachten gedacht, das nur noch knapp drei Wochen entfernt war. Lucy zog ihre Brieftasche aus der Gesäßtasche und zeigte mir ihren Führerschein. Die Person auf dem Foto war eindeutig sie, aber sonst stimmte nichts.
    »Terry Jennifer Davis«, las sie vor. »Weiß, weiblich, vierundzwanzig Jahre alt, 165 cm, einhundertfünfzehn Pfund. Es ist wirklich komisch, jemand anders zu sein. Du solltest sehen, wie ich dort unten lebe, Tante Kay. Ich habe ein kleines cooles Haus in South Beach und fahre einen Mercedes Benz Sportwagen mit zwölf Zylindern, der bei einer Drogenrazzia in Sao Paulo konfisziert wurde. Silbermetallic. Und du solltest meine Glock sehen. Ein Sammlerstück. Kaliber vierzig, sie ist klein, der Schieber aus rostfreiem Stahl. Echt süß.«
    Das Gift begann, mir die Luft abzuschnüren. Es überzog meine Augen mit einem lila Schleier, und meine Hände und Füße wurden taub davon.
    »Lucy, wie wär's, wenn wir die Vorstellung abbrechen und losziehen«, sagte Jo, die spürte, wie sehr mich dieses Gespräch mitnahm. »Es ist, als würdest du ihr bei einer Autopsie zusehen. Du siehst vielleicht mehr, als dir lieb ist.«
    »Ich hab schon zugesehen«, fuhr Lucy unbeirrt fort. »Vielleicht schon ein halbes Dutzend Mal.«
    Jo wurde allmählich ärgerlich.
    »Demo-Autopsien während der Polizistenausbildung.« Meine Nichte zuckte die Achseln. »Niemand, der mit der Axt abgeschlachtet wurde.«
    Ihre mangelnde

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