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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Granit.
    Ich sah sie und Jo im Rückspiegel. Sie sprachen miteinander, dann stiegen sie in ihren Leihwagen. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich mir erst eine Zigarette anzünden konnte, als ich im Verkehr anhalten musste.
    Ich ließ Lucy und Jo nicht zu mir aufschließen, sondern nahm die Ausfahrt an der Ninth Street und stellte mir vor, wie sie auf der 1-64 zum Flughafen fuhren und in ihr Leben voller Undercover-Verbrechen zurückkehrten.
    »Verdammt noch mal«, murmelte ich meiner Nichte zu.
    Mein Herz raste, als wollte es aus meinem Brustkorb ausbrechen.
    »Verdammt noch mal, Lucy«, schluchzte ich.

10
    Das neue Gebäude, in dem ich arbeitete, war das Auge eines wütenden Wirbelsturms von Bautätigkeiten, die ich mir nicht hatte träumen lassen, als ich in den Siebzigerjahren hier einzog.
    Ich erinnerte mich, dass ich ziemlich enttäuscht war, als ich von Miami hierher kam, gerade als Richmonds Geschäftswelt beschloss, sich in benachbarten Countys niederzulassen. Die Leute hörten auf, im Zentrum einzukaufen und zum Essen zu gehen, besonders abends.
    Der historische Stadtkern wurde vernachlässigt, und das Verbrechen hielt Einzug, bis Mitte der Neunzigerjahre die Virginia Commonwealth University für sich zu beanspruchen und widerzubeleben begann, was dem Verfall überlassen worden war.
    Es schien, als würden über Nacht hübsche Klinker-GlasGebäude aus dem Boden sprießen. Im selben Gebäude wie meine Büroräume und das Leichenschauhaus befanden sich auch die Räume des erst vor kurzem gegründeten Virginia Institute of Forensic Science and Medicine und seine Labors, die erste Ausbildungsstätte seiner Art im Land, wenn nicht der Welt.
    Ich hatte sogar einen reservierten Parkplatz in der Nähe des Eingangs, wo ich in diesem Augenblick in meinem Wagen saß und meine Habseligkeiten und wirren Gedanken zu sammeln 'suchte. Kindischerweise hatte ich, gleich nachdem ich davongerauscht war, mein Autotelefon ausgeschaltet, damit Lucy mich nicht erreichen konnte. Jetzt schaltete ich es wieder ein und hoffte, es würde klingeln. Ich starrte es an. Das letzte Mal, dass ich mich so verhalten hatte, war nachdem Benton und ich unseren schlimmsten Streit ausgefochten hatten, ich ihn aus dem Haus geworfen und ihm gesagt hatte, er solle nie wiederkommen. Ich zog alle Telefonstecker heraus, nur um eine Stunde später die Telefone wieder anzuschließen und in Panik zu geraten, als er nicht anrief.
    Ich blickte auf die Uhr. In weniger als einer Stunde würde Lucy an Bord ihres Flugzeugs gehen. Ich überlegte, ob ich USAir kontaktieren und sie ausrufen lassen sollte. Ich war entsetzt über mein eigenes Verhalten und fühlte mich gedemütigt. Und ohnmächtig, weil ich mich bei jemandem namens Terry Davis, die keine Tante Kay oder eine erreichbare Telefonnummer hatte und irgendwo in South Beach lebte, nicht entschuldigen konnte.
    Ich sah ziemlich mitgenommen aus, als ich die Lobby aus Glasbausteinen mit dem Terrazzoboden betrat. Jake, der diensthabende Wachmann, bemerkte es sofort.
    »Guten Morgen, Dr. Scarpetta«, sagte er, sein Blick und seine Hände wie gewöhnlich unstet. »Sie sehen nicht gerade aus, als fühlten Sie sich blendend.«
    »Guten Morgen, Jake«, erwiderte ich. »Wie geht es Ihnen?«
    »Oh, unverändert. Nur das Wetter soll umschlagen und grauenhaft werden, und das ist mir gar nicht recht.«
    Er drückte ständig auf den Knopf eines Kugelschreibers.
    »Ich werde diesen Schmerz im Rücken nicht los, Dr. Scarpet-ta.
    Er sitzt genau zwischen meinen Schulterblättern.«
    Er rollte die Schultern und bewegte den Hals hin und her.
    »Es zwickt, als säße dort etwas fest. Ist passiert, als ich vor ein paar Tagen Gewichte gehoben habe. Was sollte ich Ihrer Meinung nach tun? Oder muß ich mich schriftlich an Sie wenden?«
    Ich dachte, er versuchte, einen Witz zu machen, aber er lächelte nicht.
    »Feuchte Hitze. Das Gewichtheben eine Weile sein lassen«, sagte ich.
    »Vielen Dank. Wie viel verlangen Sie?«
    »Zu teuer für Sie, Jake.«
    Er grinste. Ich steckte meine Computerkarte in das elektronische Schloss in der Tür zu meinen Büroräumen, es klickte, und ich konnte eintreten. Ich hörte meine Mitarbeiterinnen Cleta und Polly miteinander sprechen und tippen. Obwohl es noch nicht einmal halb acht war, klingelten die Telefone bereits.
    »... Es ist wirklich, wirklich schlimm.«
    »Meinst du, dass Leute aus anderen Ländern auch anders riechen, wenn sie verwesen?«
    »Also wirklich, Polly. Wie dumm bist du

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