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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bin ein Detective. Fast schon mein ganzes Leben lang. Ich ertrage diese Uniformscheiße nicht. Für Arschlöcher wie Diane >Donkey< Bray kann ich nicht arbeiten.«
    »Deswegen hast du letztes Jahr diesen Lehrgang gemacht«, erinnerte ich ihn. »Du musst nicht bei der Polizei bleiben, Marino. Nicht bei dieser und bei keiner anderen. Du bist lange genug dabei, um in Pension zu gehen. Du kannst nach deinen eigenen Regeln leben.«
    »Nimm's mir nicht übel, Doc, aber für dich will ich auch nicht arbeiten«, sagte er. »Weder Teilzeit noch fallweise noch sonst irgendwie.«
    Der Staat hatte mir zwei Ermittlungsbeamte zugestanden, und ich hatte noch keine der beiden Stellen besetzt.
    »Wichtig ist doch, dass du Optionen hast«, erwiderte ich und zeigte ihm nicht, dass er mich getroffen hatte.
    Er schwieg. Ich sah Benton vor mir, die Emotionen in seinen Augen, und dann war er wieder verschwunden. Ich spürte den Kühle spendenden Schatten von Rose und fürchtete, Lucy zu verlieren. Ich dachte ans Älterwerden und dass immer mehr Menschen aus meinem Leben verschwinden würden.
    »Lass mich nicht im Stich, Marino«, sagte ich.
    Er antwortete nicht sofort, aber als er es tat, funkelte es in seinen Augen.
    »Zur Hölle mit ihnen allen, Doc«, sagte er. »Niemand schreibt mir vor, was ich zu tun habe. Wenn ich in einem Fall ermitteln will, dann werde ich das verdammt noch mal auch tun.«
    Er stippte Asche ab und schien zufrieden mit sich. »Ich möchte nicht, dass du gefeuert oder degradiert wirst«, sagte ich.
    »Sie können mich nicht weiter degradieren, als sie es schon getan haben«, sagte er, und in seinen Augen blitzte es zornig. »Zu weniger als Captain können sie mich nicht machen, und es gibt keinen schlimmeren Dienst als den, den sie mir zugewiesen haben. Sollen sie mich doch feuern. Aber rate mal. Das werden sie nicht. Und willst du wissen warum? Weil ich nach Henrico, Chesterfield, Hanover, wohin auch immer gehen könnte. Du weißt gar nicht, wie oft ich schon gefragt worden bin, in anderen Orten die kriminalpolizeilichen Ermittlungen zu übernehmen.«
    Ich blickte auf die nicht angezündete Zigarette in meiner Hand.
    »Ein paar wollten mich sogar zum Chief machen.« Er mimte weiter den Optimisten.
    »Mach dir nichts vor«, sagte ich, als ich das Menthol inhalierte.
    »Oh Gott, ich kann nicht glauben, dass ich damit wieder angefangen habe.«
    »Ich will niemandem etwas vormachen«, sagte er, und ich spürte, wie seine Depression wie ein Tiefdruckgebiet zu mir rüberzog. »Ich komm mir vor, als lebte ich auf dem falschen Planeten. Ich kenne die Brays und Andersons dieser Welt nicht.
    Wer sind diese Frauen?« »Machtmenschen.«
    »Du bist mächtig. Du bist viel mächtiger als sie oder sonst jemand, mächtiger als die meisten Männer, und du bist nicht wie sie.«
    »Zur Zeit fühle ich mich nicht gerade mächtig. Heute Morgen habe ich mich auf meiner Einfahrt vor meiner Nichte und ihrer Freundin und wahrscheinlich ein paar Nachbarn nicht beherrschen können.« Ich blies Rauch aus. »Mir wird schlecht, wenn ich daran denke.«
    Marino beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Du und ich, wir sind die einzigen zwei Menschen, denen etwas an der gottverdammten verwesten Leiche da drin liegt.«
    Er deutete mit dem Daumen auf die Tür zum Leichenschauhaus.
    »Ich wette, dass Anderson heute Morgen überhaupt nicht auftauchen wird«, fuhr er fort. »Eins steht fest, sie wird nicht dabei sein, wenn du ihn obduzierst.«
    Der Ausdruck in seinem Gesicht brachte meinen Herzschlag durcheinander. Marino war verzweifelt. Er hatte nicht mehr als das, was er sein ganzes Leben lang getan hatte, plus eine Exfrau und einen entfremdeten Sohn namens Rocky. Marino war gefangen in einem misshandelten Körper, der es ihm eines Tages mit Sicherheit heimzahlen würde. Er hatte kein Geld und einen entsetzlichen Geschmack, was Frauen anging. Er war politisch nicht korrekt, schlampig und unflätig.
    »In einer Sache hast du Recht«, sagte ich. »Du solltest keine Uniform tragen. Darin gereichst du der Polizei nur zur Schande.
    Was ist das auf deinem Hemd? Schon wieder Senf? Deine Krawatte ist zu kurz. Ich will deine Socken sehen.«
    Ich beugte mich nach vorn und zog den Saum seiner Uniformhose ein Stück hoch.
    »Sie passen nicht zusammen. Einer ist schwarz, der andere dunkelblau«, sagte ich.
    »Ich will nicht, dass du wegen mir Schwierigkeiten kriegst, Doc.«
    »Ich stecke bereits in Schwierigkeiten, Marino.«

11
    Einer der herzloseren Aspekte meiner

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