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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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füllten jeden Hohlraum mit Gas. Bakterien durchbrachen Zellwände und färbten das Blut in Venen und Arterien grünlich schwarz, wodurch das System des gesamten Blutkreislaufs durch die farblose Haut schimmerte wie Ströme und Flüsse auf einer Landkarte.
    Bereiche des Körpers, die mit Kleidung bedeckt gewesen waren, befanden sich in einem weitaus besseren Zustand als der Kopf und die Hände.
    »Mann, ob man dem begegnen möchte, wenn man abends nackt baden geht?«, sagte Ruffin und betrachtete den Toten.
    »Er kann nichts dafür«, sagte ich.
    »Und wissen Sie was, Chuckie-Boy?«, sagte Marino. »Wenn Sie eines Tages gestorben sein werden, werden Sie genauso hässlich aussehen.«
    »Wissen wir genau, wo der Container im Frachtraum des Schiffes untergebracht war?«, fragte ich Marino.
    »Ein paar Reihen weit unten.«
    »Wie war das Wetter während der zwei Wochen, die es auf See war?«
    »Überwiegend mild, im Durchschnitt fünfzehn Grad, höchstens einundzwanzig. Der gut gelaunte El Nino. Die Leute machen ihre Weihnachtseinkäufe in ihren verdammten Shorts.«
    »Sie meinen also, dass der Typ an Bord gestorben ist und ihn jemand in den Container gesteckt hat?«, fragte Ruffin.
    »Nein, das meine ich nicht, Chuckie-Boy.«
    »Ich heiße Chuck.«
    »Kommt drauf an, mit wem Sie sprechen. Und jetzt die tägliche Quizfrage, Chuckie-Boy. Wenn man Tonnen von Containern hat, die wie die Sardinen im Frachtraum lagern, wie steckt man dann heimlich eine Leiche in einen davon?«, sagte Marino.
    »Man würde nicht mal die Tür aufkriegen. Außerdem war das Siegel intakt.«
    Ich zog eine Lampe näher und sammelte Fasern und andere Reste ein, benutzte dazu eine Pinzette und eine Lupe, in manchen Fällen auch Tupfer.
    »Chuck, wir müssen überprüfen, wie viel Formalin wir noch haben«, sagte ich. »Neulich war es nicht mehr sehr viel. Oder haben Sie sich bereits darum gekümmert?«
    »Noch nicht.«
    »Und atmen Sie nicht so viele Dämpfe ein«, sagte Marino. »Sie wissen ja, was sonst mit dem Gehirn passiert.«
    Formalin ist ein verdünntes Formaldehyd, eine hoch reaktive Chemikalie, mit der Organproben, Organe oder im Fall von anatomischen Stiftungen ganze Leichen konserviert oder »fixiert« werden. Es tötet Gewebe ab. Es wirkt extrem ätzend auf die Atmungsorgane, die Haut und die Augen.
    »Ich werde nach dem Formalin sehen«, sagte Ruffin.
    »Nicht jetzt, nein«, sagte ich. »Nicht solange wir hier nicht fertig sind.«
    Er zog die Kappe von einem Textmarker.
    »Wie wäre es, wenn wir Cleta anrufen, um zu kontrollieren, ob Anderson das Gebäude verlassen hat«, sagte ich. »Ich will nicht, dass sie hier herumschleicht.«
    »Mach ich«, sagte Marino.
    »Ich muss zugeben, ich kriege es immer noch nicht auf die Reihe, dass jetzt kleine Mädchen Mörder jagen«, sagte Ruffin zu Marino. »Als Sie anfingen, haben Sie wahrscheinlich nichts anderes getan, als Parkuhren zu kontrollieren.« Marino ging zum Telefon.
    »Zieh die Handschuhe aus«, rief ich ihm nach, weil er es meistens vergaß, trotz der vielen Saubere-Hände-Schilder, die ich anbrachte.
    Langsam bewegte ich die Lupe, dann hielt ich inne. Die Knie sahen abgeschürft und schmutzig aus, als hätte er ohne Hose auf einer rauen schmutzigen Oberfläche gekniet. Ich schaute mir seine Ellbogen an. Auch sie waren schmutzig und abgeschürft, aber ein endgültiges Urteil war schwer zu fällen wegen des schlechten Zustands der Haut. Ich tauchte einen Baumwolltupfer in sterile Lösung, als Marino auflegte. Ich hörte, wie er ein weiteres Paar Handschuhe aufriss.
    »Anderson ist nicht mehr hier«, sagte er. »Laut Cleta ist sie vor einer halben Stunde gegangen.«
    »Was halten Sie von Frauen, die Gewicht heben?«, fragte Ruffin Marino. »Haben Sie Andersons muskulöse Arme gesehen?«
    Ich benutzte ein fünfzehn Zentimeter langes Lineal als Maßstab und begann, mit einer fünfunddreißig Millimeter Kamera und einem Makroobjektiv Aufnahmen zu machen. Auf der Innenseite der Arme fand ich weitere schmutzige Bereiche und machte mit einem Tupfer Abstriche davon.
    »Ob es wohl Vollmond war, als das Schiff in Antwerpen auslief?«, fragte Marino mich.
    »Wenn man in einer Männerwelt leben will, muss man vermutlich auch stark sein wie ein Mann«, fuhr Ruffin fort.
    Beständig lief Wasser, Stahl knallte gegen Stahl, und die Lampen an der Decke ließen keine Schatten zu.
    »Heute ist Neumond«, sagte ich. »Belgien liegt weiter östlich, aber der Mondzyklus ist der gleiche wie bei uns.«
    »Es

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