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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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groß und wiegt fünfundneunzig Pfund, was angesichts des Flüssigkeitsverlusts heißt, dass er hundertdreißig, hundertvierzig Pfund gewogen haben muss. Ein durchschnittlich großer Mann, der, wie gesagt, irgendwann vielleicht einmal schwerer gewesen ist, nach seiner Kleidung zu urteilen. An seinen Sachen kleben seltsame Haare.
    Fünfzehn, siebzehn Zentimeter lang, blassblond.«
    Ich stülpte die linke Tasche der Jeans nach außen und fand weitere Haare, einen Zigarrenschneider und ein Feuerzeug, beides aus Sterlingsilber. Ich legte sie auf ein sauberes weißes Blatt Papier und achtete darauf, potenzielle Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Die rechte Hosentasche enthielt zwei Fünf-Francs-Münzen, ein englisches Pfund und jede Menge zusammengefalteter ausländischer Geldscheine, die mir nicht vertraut waren.
    »Keine Brieftasche, kein Pass, kein Schmuck«, sagte ich.
    »Sieht eindeutig nach Raub aus«, sagte Marino. »Außer das Zeug in seinen Taschen. Das ergibt keinen Sinn. Man sollte annehmen, dass die Person, die ihn ausgeraubt, auch das Geld mitgenommen hätte.«
    »Chuck, haben Sie schon Dr. Boatwright angerufen?«, fragte ich.
    Er war einer der Odontologen oder Gerichtszahnmediziner, die wir uns routinemäßig vom Medical College of Virginia ausliehen.
    »Mach ich gleich.«
    Er zog seine Handschuhe aus und ging zum Telefon. Ich hörte, wie er Schränke und Schubladen öffnete.
    »Haben Sie die Telefonliste gesehen?«, fragte er.
    »Sie sind derjenige, der sich um diese Dinge zu kümmern hat«, sagte ich gereizt.
    »Bin sofort wieder da.« Ruffin konnte es nicht erwarten, wieder zu verschwinden.
    Er marschierte davon, und Marino sah ihm nach.
    »Dumm wie Bohnenstroh«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll«, sagte ich.
    »Weil er nicht wirklich dumm ist, Marino. Das ist Teil des Problems.«
    »Hast du ihn schon mal danach gefragt, was zum Teufel eigentlich mit ihm los ist? Ob er Gedächtnisaussetzer, Konzentrationsstörungen oder so was hat? Vielleicht ist er mit dem Kopf wo gegengerannt oder hat zu oft an sich rumgefummelt.«
    »Nach diesen Dingen habe ich ihn nicht gefragt.«
    »Erinnere dich an letzten Monat, als ihm eine Kugel in den Abfluss gefallen ist, Doc. Da hat er getan, als wärst du schuld, was der größte Quatsch aller Zeiten war. Ich habe doch direkt daneben gestanden.«
    Ich mühte mich mit der nassen schleimigen Jeans des toten Mannes ab, versuchte, sie ihm über Hüfte und Oberschenkel zu ziehen.
    »Könntest du mir vielleicht helfen?«, fragte ich.
    Wir zogen ihm vorsichtig die Jeans über Knie und Füße. Anschließend schälten wir ihn aus der schwarzen Unterhose, den Socken und dem T-Shirt, und ich legte die Kleidungsstük-ke auf die mit einem Tuch bedeckte Bahre. Ich suchte sorgfältig nach Rissen oder Löchern und anderen möglichen Indizien. Mir fiel auf, dass die Rückseite der Hose, besonders das Gesäß, wesentlich verschmutzter war als die Vorderseite. Die Schuhe waren an den Fersen zerkratzt.
    »Jeans, schwarze Unterhose und T-Shirt sind von Armani und Versace. Die Unterhose hatte er mit der Innenseite nach außen an«, fuhr ich mit der Inventur fort. »Schuhe, Gürtel, Socken sind von Armani. Siehst du den Schmutz und die Kratzer?« Ich deutete darauf. »Könnte darauf hinweisen, dass er von hinten gezerrt wurde, jemand könnte ihn unter den Armen gepackt haben.«
    »Dachte ich auch gerade«, sagte Marino.
    Eine Viertelstunde später glitt die Tür auf, und Ruffin kam wieder herein, die Telefonliste in der Hand. Er befestigte sie mit einem Klebstreifen an einer Schranktür.
    »Hab ich was versäumt?«, fragte er gut gelaunt.
    »Wir werden uns die Kleidung mit dem Luma-Lite ansehen, anschließend lassen wir sie trocknen, dann kann die Spurensicherung übernehmen«, sagte ich in unfreundlichem Tonfall zu Ruffin. »Lassen Sie die anderen persönlichen Dinge an der Luft trocknen, dann legen Sie sie in Tüten.«
    Er streifte sich Handschuhe über.
    »Zehn-vier«, sagte er gereizt.
    »Sieht aus, als würden Sie schon für die Polizeischule üben«, hackte Marino noch ein bisschen auf ihm herum. »Gut so, Junge.«

13
    Ich verlor mich in dem, was ich tat, meine Gedanken wurden in einen Körper gezogen, der vollständig autolysiert und verwest und kaum mehr als menschlicher erkennbar war.
    Der Tod hatte diesen Mann wehrlos gemacht, und Bakterien waren aus dem Magendarmtrakt entwichen und hatten sich überall breit gemacht, vermehrten sich, fermentierten und

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