Blinder Passagier
weitere Personen melden werden, die vielleicht etwas bemerkt haben. Jede Kleinigkeit ist wichtig. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um unsere Stadt zu schützen.«
»Was macht sie da? Kandidiert sie für ein Staatsamt?«, sagte Marino »Gibt es in dem Laden einen Safe?«, fragte ich ihn.
»Im Lagerraum, wo ihre Leiche gefunden wurde. Er war nicht geöffnet. Hat man mir zumindest gesagt.«
»Videokamera?«
»Nein. Vielleicht hat er nach dem Mord an Gant etwas gelernt und geht nur noch in Läden, die nicht Versteckte Kamera mit ihm spielen.«
»Vielleicht.«
Er und ich wussten, dass er nur Vermutungen anstellte, dass er sich anstrengte, weil er seinen Job nicht freiwillig aufgeben würde.
»Weißt du das alles von Carson?«, fragte ich.
»Es waren nicht die Polizisten, die mich vom Dienst suspendiert haben«, sagte er. »Klar, du meinst, dass der modus operandi in diesem Fall ein bisschen anders ist, Doc. Aber das ist keine Wissenschaft, Doc, und du weißt es.«
Benton hatte uns gelegentlich schief lächelnd mit dieser Aussage geködert. Er erstellte psychologische Täterprofile, er war ein Experte für Modus operandi, Verhaltensmuster und Vorhersagen. Aber jedes Verbrechen besitzt seine eigene Choreografie, weil jedes Opfer anders ist. Umstände und Stimmungen sind verschieden, sogar das Wetter spielt eine Rolle, und der Täter modifiziert häufig seine Routine. Benton beschwerte sich des Öfteren über die Hollywood-Versionen verhaltenswissenschaftlicher Befunde: Er war kein Hellseher, und im Gehirn von Gewalttätern steckt keine Computersoftware.
»Vielleicht hat er sich über sie geärgert«, fuhr Marino fort. »Vielleicht hat er sich zuvor mit seiner Mutter gestritten, wer zum Teufel weiß das schon?«
»Was wird passieren, wenn Leute wie Al Carson dich nicht mehr informieren?«
»Das ist mein verdammter Fall«, sagte er, als hätte er mich nicht gehört. »Gant war mein Fall, und dieser ist es auch, das kann man drehen und wenden wie man will. Auch wenn es nicht derselbe Mörder ist, wird das keiner schneller herausfinden als ich, weil ich derjenige bin, der alles darüber weiß.«
»Du kannst nicht immer mit dem Kopf durch die Wand«, sagte ich. »Das wird bei Bray nicht funktionieren. Du musst einen Weg finden, der es für sie lohnend macht, dich zu tolerieren, und das in den nächsten fünf Minuten.«
Er schwieg, als ich in die Libbie Avenue bog.
»Du bist intelligent, Marino«, fügte ich hinzu. »Schalte deinen Kopf ein. Es geht hier nicht um Territorien und Egos. Eine Frau ist umgebracht worden.«
»Scheiße«, sagte er. »Was ist bloß los mit den Leuten?«
Der Quik Cary war ein kleiner Supermarkt. Er hatte weder eine gläserne Front noch Zapfsäulen, war weder hell erleuchtet, noch lag er günstig an einer viel befahrenen Straße, wo er Kunden angezogen hätte. Außer an Feiertagen war er nur bis achtzehn Uhr geöffnet.
Auf dem Parkplatz pulsierte es rot und blau, und zwischen den Wagen mit laufenden Motoren, Polizisten und wartenden Sanitätern sonnte sich Bray in Kamerascheinwerfern, die um sie herum erstrahlten wie kleine Sonnen. Sie trug ein langes rotes Wollcape, hochhackige Schuhe und Diamantohrringe, die bei jeder Bewegung ihres schönen Kopfes aufblitzten. Sah ganz so aus, als wäre sie von einer Dinnerparty geholt worden.
Schneeregen begann zu fallen, als ich meinen Kofferraum öffnete und meinen Koffer herausnahm. Bray entdeckte mich vor den Medien, dann fiel ihr Blick auf Marino, und Ärger huschte über ihr Gesicht.
».. .werden wir nicht bekannt geben, bevor nicht ihre Familie informiert wurde«, sagte sie zu den Reportern.
»Pass auf«, murmelte Marino.
Er marschierte schnellen Schritts auf den Laden zu und tat etwas, was er noch nie zuvor getan hatte. Er ließ die Journalisten auf sich zukommen und machte keinen Versuch, ihnen auszuweichen. Er ging sogar soweit, sein Funkgerät in die Hand zu nehmen, während er sich angespannt umsah und alle nur erdenklichen Signale aussandte, dass er zuständig war und viele Geheimnisse kannte.
»Sind Sie drin, Zwei-null-zwei?«, hörte ich ihn sagen, als ich meinen Wagen abschloss.
»Zehn-vier«, sagte eine andere Stimme.
»Bin jetzt da, komm rein«, sagte Marino.
»Bis gleich.«
Augenblicklich hatten ihn mindestens zehn Reporter und Kameramänner eingekreist. Es war erstaunlich, wie schnell sie waren.
»Captain Marino?«
»Captain Marino!«
»Wie viel Geld wurde gestohlen?«
Marino wimmelte sie nicht ab. Brays Blick grub
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