Blinder Passagier
mir.
»Wir haben eine Patronenhülse gefunden«, sagte Egglestone gut gelaunt zu Marino.
»Wenn Sie eine Pause machen wollen, Marino, werde ich die Taschenlampe halten«, versuchte Ham seinen unverzeihlichen Fehler wieder gutzumachen.
»Ich halte es für ziemlich offensichtlich, dass sie hier lag -reglos -, als er sie schlug«, sagte ich, weil ich die Fadenmethode in diesem Fall nicht für nötig hielt.
»Mit den Fäden werden wir es sicher wissen«, versprach er.
Es war eine alte französische Methode, bei der das Ende eines Fadens mit Klebeband an einem Blutfleck befestigt wurde und das andere an dem geometrisch errechneten Ursprung der Blutung. Dies wurde mehrfach wiederholt, und das Ergebnis war ein dreidimensionales Fadenmodell, anhand dessen man sehen konnte, wie viele Schläge ausgeteilt worden waren und wo sich das Opfer dabei befunden hatten.
»Es sind zu viele Leute hier«, sagte ich laut.
Schweiß rann über Marinos Gesicht.
Ich spürte die Hitze seines Körpers und roch seinen Atem, da er noch immer dicht neben mir war.
»Gib das sofort an Interpol weiter«, sagte ich so leise, dass niemand außer ihm mich hören konnte.
»Wird gemacht.«
»Speer dreihundertachtzig. Jemals davon gehört?«, fragte Egglestone Marino.
»Ja. High-Performance-Scheiße. Gold Dot«, sagte Marino. »Das passt überhaupt nicht.«
Ich holte mein Thermometer heraus und legte es auf einen Karton mit Papptellern, um die Raumtemperatur zu messen.
»Ich kann Ihnen die Temperatur sagen, Doc«, sagte Ham. »Vierundzwanzig Komma vier Grad. Es ist warm.«
Marino bewegte die Taschenlampe, während meine Hände und meine Augen über den Körper wanderten.
»Normale Leute kriegen keine Speer-Munition«, sagte er. »Die kostet zehn, elf Dollar pro Schachtel mit zwanzig Stück. Ganz zu schweigen davon, dass die Knarre kein Stück Scheiße sein darf, sonst explodiert sie dir in der Hand.«
»Die Waffe stammt also von der Straße.« Anderson stand plötzlich neben mir. »Drogen.«
»Fall gelöst«, sagte Marino. »Großartig, vielen Dank, Anderson.
Leute, wir können nach Hause gehen.«
Ich roch den süßlichen klebrigen Geruch von Kim Luongs gerinnendem Blut. Das Serum trennte sich vom Hämoglobin, Zellen brachen zusammen. Ich zog das Thermometer heraus, das Ham ihr ins Rektum eingeführt hatte. Ihre Körpertemperatur betrug einunddreißig Komma vier Grad. Ich blickte auf.
Es befanden sich abgesehen von Marino und mir noch vier Personen in diesem Raum. Meine Wut und mein Frust steigerten sich.
»Wir haben ihre Tasche und ihren Mantel gefunden«, fuhr Anderson fort. »Sechzehn Dollar in ihrer Brieftasche, sieht also nicht so aus, als ob er da dran gewesen wäre. Ach ja, und daneben stand eine Papiertüte mit einem Plastikbehälter und einer Gabel. Scheint, als hätte sie ihr Abendessen mitgebracht und in der Mikrowelle aufgewärmt.«
»Woher wissen Sie, dass sie's aufgewärmt hat?«, fragte Marino.
Anderson wusste darauf nichts zu sagen. »Zwei und zwei ergibt nicht immer zweiundzwanzig«, fügte er hinzu.
Livor mortis hatte bereits eingesetzt. Ihr Kiefer war zusammengebissen, und auch die kleinen Muskeln in ihrem Hals und ihren Händen waren angespannt.
»Sie ist zu steif, um erst seit zwei Stunden tot zu sein«, sagte ich.
»Was verursacht eigentlich die Leichenstarre?«, fragte Egglestone.
»Das wollte ich auch schon immer wissen.«
»Ich hatte mal einen Fall in Bon Air -«
»Was hast du denn in Bon Air gemacht?«, fragte der Beamte, der noch immer fotografierte.
»Das ist 'ne lange Geschichte. Jedenfalls hat dieser Kerl einen Herzinfarkt, während er vögelt. Seine Freundin glaubt, dass er einfach eingeschlafen ist. Am nächsten Morgen wacht sie auf, und er ist mausetot. Sie will nicht, dass es so aussieht, als wäre er im Bett gestorben, also versucht sie, ihn auf einen Stuhl zu setzen. Er lehnte daran wie ein Bügelbrett.«
»Ich mein's ernst, Doc. Was verursacht die Leichenstarre?«, fragte Ham.
»Das hat mich auch schon immer interessiert.« Diane Bray stand in der Tür. Ihre Augen fixierten mich wie Nägel aus Stahl.
»Wenn man stirbt, hört der Körper auf, Adenosintriphosphat zu produzieren. Deswegen wird man steif«, sagte ich, ohne sie anzublicken. »Marino, kannst du sie so halten, damit ich ein Foto machen kann?«
Seine großen behandschuhten Hände schoben sich unter ihre linke Körperhälfte, während ich meine Kamera holte. Ich fotografierte eine Verletzung unterhalb ihrer linken Achselhöhle
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