Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
geliebt und sie wie sein eigenes Kind behandelt. Was gut war, weil wir ja keine gemeinsamen Kinder bekommen haben.«
»Wieso nicht?«
»Es gab keinen konkreten Grund. Es ist eben nie passiert. Und wir haben nie ein Drama daraus gemacht. Wir waren beide vollauf damit beschäftigt, das Geschäft am Laufen zu halten und weiter auszubauen, und haben beide sehr viel gearbeitet. Und wir waren zufrieden mit der Tochter, die wir hatten.«
Dodge spürte einen scharfen Stich in der Brust – entweder lag es am Nikotindefizit oder daran, dass er sich anhören musste, wie ein anderer Mann seine eigene Tochter geliebt und großgezogen hatte. Trotzdem gelang es ihm nicht, sich die Fragen zu verkneifen, die ihm seit über dreißig Jahren auf der Seele brannten. »Wie war Berry als Kind? War sie glücklich?«
Caroline sah ihn an und lächelte. »Sehr. Absolut glücklich. Sie sprühte förmlich vor Energie. War klug. Reif für ihr Alter. Sportlich. Ehrgeizig. Manchmal auch sturköpfig, aber niemals frech und vorlaut.«
»Starrsinnig wie du.«
»Durchtrieben wie du.«
»Hat sie das typische Rothaarigentemperament geerbt?«
»Ich habe kein Rothaarigentemperament.«
Er lachte über ihre bissige Erwiderung, und sie stimmte mit ein. Schließlich wurde er wieder ernst. »Hast du es ihr jemals gesagt?«
»Was?«
»Muss ich es noch mal buchstabieren, Caroline?«
Sie wandte den Kopf ab und sah zum Fenster hinaus, während sie ihre Hände knetete – eine Angewohnheit, die er nur allzu gut kannte und die man immer dann an ihr beobachten konnte, wenn sie ihre Gedanken ordnete, vor allem unangenehme.
»Ja, ich habe es ihr gesagt. Jim hat sie adoptiert, und sie hat seinen Nachnamen bekommen. Trotzdem fand ich, dass sie wissen sollte, dass er nicht ihr leiblicher Vater ist. Ich wollte nicht, dass irgendwo ein düsteres Geheimnis in unserem Leben lauert, das nur darauf wartet, ans Tageslicht zu kommen und unsere Beziehung zu gefährden.«
Es schmerzte Dodge in der Seele, wieder einmal daran erinnert zu werden, dass er jeglichen Anspruch auf ein Sorgerecht für Berry abgetreten hatte. Es war eine sehr sachliche Angelegenheit gewesen, die ihre Anwälte für sie geregelt hatten. Er war stinksauer gewesen und hatte das Gefühl gehabt, dass man ihm keine andere Wahl ließ, als zu unterschreiben.
Er fragte sich, was wohl passiert wäre, wenn er sich damals gesträubt hätte. Wäre alles ganz anders gekommen, wenn er sich geweigert hätte, die Erziehung seiner Tochter in die Hände eines anderen Mannes zu legen?
Doch heute, dreißig Jahre später, konnte er sich nicht vorstellen, welchen Vorteil ein solches Tauziehen hätte haben sollen. Es hätte das Unvermeidliche nur unnötig in die Länge gezogen, noch tiefere Feindseligkeiten heraufbeschworen und sämtlichen Beteiligten, allen voran Caroline und Berry, noch größeren Kummer bereitet.
»Als Berry groß genug war, um zu erfahren, woher die Babys kommen«, fuhr Caroline fort, »habe ich ihr erzählt, dass Jim nicht der Mann war, der den Samen in Mamis Bauch gepflanzt hat.« Ein zärtliches Lächeln trat auf ihre Züge. »Aber ich habe ihr versichert, dass Jim trotzdem ihr Daddy ist. Und sie hat es akzeptiert.«
Dodge blieb an einer Ampel stehen. Er betastete das Zigarettenpäckchen in seiner Brusttasche, rutschte ein Stück tiefer im Fahrersitz und fluchte über den Fahrer im Wagen vor ihm, der offenbar nicht wusste, dass man in die Kreuzung fahren durfte, um links abzubiegen, sobald die Ampel auf Gelb sprang. Damit raubte er Dodge die Chance, ebenfalls Gas zu geben, ehe sie endgültig wieder rot wurde.
Er räusperte sich. »War sie nie neugierig, wer den Samen stattdessen in Mamis Bauch getan hat? Hat sie nie gefragt, was aus ihrem richtigen Daddy geworden ist, wieso er sie verlassen hat und nie zurückgekommen ist?«
»Nur einmal«, sagte Caroline. »Damals war sie in einem Alter, in dem ich dachte, ich müsste sie vor der Gefahr warnen. Du weißt schon, in der Hitze des Gefechts Sex zu haben, ohne ihren Verstand einzuschalten oder, wenn der schon nicht mehr funktionierte, sich wenigstens ausreichend zu schützen. Damals wollte sie wissen, ob mir das passiert sei. Sie hat gefragt, ob sie ein Unfall gewesen sei, ein Missgeschick, für das der Vater die Verantwortung nicht hatte übernehmen wollen, weshalb er sich aus dem Staub gemacht hatte.«
Sie sahen einander an.
»Die Verletzlichkeit in ihrer Stimme hat mir beinahe das Herz gebrochen. Offenbar hatte ihr die Vorstellung, ihre
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