Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
hätte ausgehen können, wird mir ganz anders.«
»Allerdings. Genau das denke ich – denken wir – auch die ganze Zeit.« Er nahm Amandas Hand und drückte sie. Die Eheleute lächelten einander zu, auch wenn Amandas Lächeln ein wenig angestrengt wirkte.
»Ich mache mir große Vorwürfe, weil ich Orens Geisteszustand völlig unterschätzt habe«, fuhr Berry fort.
»Wer hätte auch ahnen können, dass er etwas so Verrücktes tun würde?«
»Ich war gewarnt«, gab Berry zu. »Ich hatte ja bereits erlebt, wie es ist, wenn er komplett ausrastet.«
»Schon vor Freitagabend?«
»Ja. Aber nur einmal. Ich dachte damals, es sei ein einmaliger Ausrutscher, ein spontaner Ausbruch. Aber offenbar habe ich die Situation falsch eingeschätzt.« Sie holte tief Luft. »Deshalb dachte ich ja auch, dass es nicht schlimm wäre, ihn anzurufen.«
Verblüffung zeichnete sich auf Bens bleichem Gesicht ab. »Du hast ihn angerufen? Wann?«
»Am Donnerstagnachmittag.«
Er starrte sie fassungslos an. »Hast du vollständig den Verstand verloren?«
»Es war ein Fehler. Das ist mir inzwischen klar, aber ich hatte Dinge zu ihm gesagt, die mir leidtaten und für die ich mich entschuldigen wollte. Außerdem war es doch sein Recht zu erfahren, dass wir das Projekt, an dem er die ganze Zeit gearbeitet hatte, erfolgreich abgeschlossen hatten. Ich hatte das Gefühl, wir, besser gesagt, ich sei ihm das schuldig.«
Ben fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sein Blick glitt zwischen Berry und seiner Frau hin und her und blieb schließlich an Berry hängen. »Ich wünschte, du hättest das vorher mit mir besprochen.«
»Ich auch. Vielleicht hättest du es mir ausgeredet, und all das wäre nie passiert.«
»Ich fasse es nicht«, murmelte Amanda. »Das Ganze ist tatsächlich ganz allein deine Schuld.«
Berry konnte ihr nicht widersprechen, trotzdem hatte sie das Bedürfnis, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen. »Ich dachte, Oren wäre mir dankbar und der Fall damit endgültig erledigt. Aber offenbar hat er nur eines aus dem Gespräch herausgehört, nämlich dass Ben und ich den ganzen Freitag zusammen verbringen würden. Es tut mir so unendlich leid.«
»Es gibt da so einiges, was dir leidtun sollte.«
»Das ist völlig richtig, Amanda. Aber Ehebruch gehört definitiv nicht dazu. Ben und ich sind seit langer, langer Zeit nur Freunde, mehr nicht. Schon bevor er dich überhaupt kannte.«
»Genau dasselbe habe ich ihr auch gesagt«, warf er ein. »Und sie glaubt mir.«
Wieder spürte Berry Amandas argwöhnischen Blick auf sich ruhen. »Das mag ja sein, aber mir glaubst du nicht?«
»Ich glaube Ben, dass er mir treu war und sein Ehegelübde nicht gebrochen hat. Aber dir traue ich nicht über den Weg. So wie ich es sehe, hattest du nicht nur die Kampagne im Sinn, als du verlangt hast, dass er hierherkommt. Du bist aus Houston weggegangen, weg aus deinem Büroalltag und von der Arbeit, die dir ja allem Anschein nach so wichtig ist. Du hast deine Freunde und dein gesamtes Privatleben zurückgelassen und dich zurückgezogen, in die Pampa. Und letzte Woche ist dir auf einmal langweilig geworden, deshalb hast du einen Grund erfunden, weshalb Ben unbedingt herkommen und mit dir den Tag und dann auch noch die Nacht verbringen sollte. Du wusstest genau, dass er kommen würde, weil diese Kampagne für euer beider Karriere ja so wahnsinnig wichtig ist. Aber ich glaube, das war nur ein Köder, um ihn herzulocken. Du brauchtest ein bisschen Abwechslung, eine Pause vom öden Landleben. Du brauchtest Sex und hast dir meinen Mann ausgesucht, um zu bekommen, was du wolltest.«
»Das stimmt nicht«, widersprach Berry mit Nachdruck. »Ich habe Ben nicht nach Merritt gelockt, um Sex mit ihm zu haben.« Sie hielt einen Moment inne. »Aber vor ein paar Monaten hätte ich es vielleicht noch getan.«
Das Eingeständnis schien die beiden zu schockieren. Berry war selbst erschrocken darüber, trotzdem fuhr sie fort. »Hätte ich vor meiner Abreise hierher den Eindruck gehabt, dass ich beruflich davon profitieren könnte, wenn ich mit Ben schlafe, hätte ich es höchstwahrscheinlich getan.«
Ben saß immer noch mit offenem Mund da, während Amanda sie mit einer Mischung aus Wut und Selbstgefälligkeit anstarrte. »Also gibst du es doch zu.«
»Ich gebe zu, dass meine Prioritäten ziemlich fragwürdig waren«, räumte Berry ein. »Ich habe Dinge getan, die ich alles andere als gut finde, nur um auf der Karriereleiter aufzusteigen. Das Ganze ging so weit, dass
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