Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
Familie hat Geld. Sehr viel Geld. Und eine ganze Armee an Anwälten.«
Das kümmerte Dodge einen Scheißdreck. »Haben Sie Eis im Haus?« Ohne auf ihre Antwort zu warten, trat er vor den Kühlschrank, riss das Tiefkühlfach auf und nahm einen Eiswürfelbehälter heraus. Er ließ mehrere Würfel auf ein Geschirrtuch fallen und faltete es zu einer Art Eisbeutel zusammen, den er ihr reichte.
»Danke«, sagte sie und presste ihn gegen ihre Schläfe.
»Gern geschehen.«
Er rückte einen Stuhl vom Küchentisch weg und wartete, bis sie sich gesetzt hatte, ehe er auf dem zweiten Stuhl Platz nahm. Dann zog er einen Block und einen Stift aus der Brusttasche seines Uniformhemds und notierte sich ihren Namen. »Und wie heißt Ihr Freund?«
Sie zögerte einen Moment. »Roger Campton«, sagte sie schließlich.
Dodge notierte sich den Namen mit einem Fragezeichen dahinter, während er überlegte, wo er diesen Namen schon mal gehört hatte. Sie schien seine Gedanken zu erraten. »Seiner Familie gehört Campton Industries.«
Heiliges Kanonenrohr . Wie sie gesagt hatte – sehr viel Geld.
Die Küche, das Haus und die Gegend selbst waren eindeutig bestenfalls Mittelklasse. Alles sehr hübsch und liebevoll gepflegt, aber nach Wohlstand roch es hier definitiv nicht. Wieder schien ihn die Verwirrung auf seinen Zügen zu verraten.
»Sie fragen sich, woher Roger und ich uns kennen, stimmt’s?«
Er nickte vage.
»Von einer Weihnachtsfeier im Haus seiner Eltern im letzten Jahr.«
Dodges Brauen schossen in die Höhe. »Sie waren dort als Gast?«
»Nein, als Kellnerin. Ich habe in der Weihnachtszeit für ein Cateringunternehmen gearbeitet. Es war mein Zweitjob.«
Das verriet einiges über sie: Sie war alleinstehend und musste einen Nebenjob annehmen, um über die Runden zu kommen. Sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt selbst und war nicht zu stolz, es offen zuzugeben. Sie war hübsch und hatte eine tolle Figur, was dem reichen jungen Mann logischerweise nicht entgangen war. Und sie wiederum war einem Campton-Erben mit einem Haufen Geld und allem, was damit einherging, logischerweise nicht abgeneigt.
Für den Moment hatte ihr dieser Ehrgeiz allerdings nur ein blaues Auge eingebracht, dessen Anblick Dodge stinksauer machte. Wie konnte sich eine Frau, die ansonsten recht vernünftig wirkte, so etwas gefallen lassen?
»Hat er das schon mal gemacht?«, fragte er.
»Nein. Nie.«
»Nie mit Ihnen oder auch sonst mit niemandem?«
»Mit mir nie. Für andere kann ich nicht sprechen.«
Dodge machte sich eine Notiz. Dieser Frage würde er später weiter nachgehen. »Was hat ihn so in Rage versetzt?«
Sie hob die Schultern. Wieder konnte Dodge ihre Zartgliedrigkeit nur bestaunen. »Wir haben uns gestritten, wie es eben manchmal vorkommt. Eine ganz normale Meinungsverschiedenheit, und plötzlich ist er völlig ausgeflippt. So habe ich ihn noch nie erlebt.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Aber er steht in letzter Zeit unter enormem Druck.«
»Welche Art von Druck?«
»Geschäftlich. Zwischen ihm und seinem Vater gibt es einige Unstimmigkeiten, die Roger sich sehr zu Herzen nimmt.«
»Und was hat ihn dazu bewogen, Sie zu schlagen?«
»Ich habe gesagt, sein Vater hätte nun mal mehr Erfahrung, und Roger sollte sich seinem Urteil in diesem konkreten Fall vielleicht beugen.«
»Sie haben sich also auf die Seite seines alten Herrn und damit gegen ihn gestellt.«
Sie ließ den Kopf sinken und starrte auf den Tisch. »Ich schätze, so kam es bei Roger an.«
»Aber das ist noch lange keine Entschuldigung dafür, Sie zu schlagen.«
»Nein.«
»Haben Sie vor, trotzdem bei ihm zu bleiben?«
Sie hob den Kopf und blickte ihn erstaunt an. »Natürlich.«
Dodge musterte sie schweigend.
Wieder fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich bin sicher, das Ganze war ein einmaliger Ausrutscher, Officer. Roger hat nur für einen Moment die Beherrschung verloren. So etwas kann doch jedem einmal passieren, wenn er unter großem Druck steht.«
Dodge schüttelte vehement den Kopf. »Die meisten Leute stehen auf die eine oder andere Weise unter Stress und schlagen ihre Partner deswegen trotzdem noch lange nicht. So etwas tun nur Menschen, die ohnehin einen Hang zu körperlicher Gewalt haben.«
Sie legte den provisorischen Eisbeutel auf den Tisch, da bereits das Wasser der schmelzenden Eiswürfel heraustropfte, und stand auf. »Meiner Wange geht es schon viel besser. Das Eis hat wirklich geholfen. Ich komme schon zurecht.
Weitere Kostenlose Bücher