Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
was Sie denken.«
»Ich denke, Sie ziehen die Hochzeit nicht durch, weil Sie ihn so wahnsinnig lieben, sondern weil Sie ein Sturkopf sind. Niemand darf Caroline Kings Urteilsvermögen infrage stellen. Sie wollen nicht bewiesen bekommen, dass Sie sich geirrt haben.«
»Sie wissen rein gar nichts über mich.«
»Eins weiß ich genau«, sagte er und trat noch etwas näher. »Ich weiß, dass Sie das Einzige sind, woran ich denken kann.«
Seine Worte trafen sie wie ein Schlag in die Magengrube und raubten ihr den Atem. Ihr Herzschlag stockte, und sie wünschte, sie könnte abspringen, sich von dem Sprungbrett in die Tiefe stürzen.
Sie fürchtete sich davor, dass er sie küssen würde. Und zugleich hatte sie Angst, dass er es nicht tun würde.
Er tat es nicht.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte sie sich ab, ging um den Wagen herum zur Fahrerseite, öffnete die Tür und stieg ein. Er machte keine Anstalten, sie aufzuhalten, als sie Gas gab und davonfuhr.
Es war bereits das dritte Mal, dass sie ihn stehen gelassen hatte: Das erste Mal, als sie, zutiefst gerührt von der Besorgnis des Polizisten, ins Haus zurückgekehrt war. Das zweite Mal, nach ihrer Begegnung vor dem Bürogebäude, hatte sie kehrtgemacht und war in den Unterricht zurückgegangen. Sie war aufgebracht gewesen, weil er Roger brutal zusammengeschlagen hatte, doch zugleich war ihr bewusst geworden, dass seine Sorge um sie nicht rein beruflicher Natur war.
Und diesmal war es weniger ein geordneter Rückzug als vielmehr eine Flucht. Vor ihm. Aber auch vor sich selbst und dem riesigen Fehler, den sie begangen hätte, wenn sie geblieben wäre.
Dodges Stimmung war auf dem Nullpunkt, als er sich am nächsten Tag auf den Weg in die Reifenfabrik machte. Er fluchte über den Stoßverkehr, über die Böden, die er würde wischen müssen, und über sich selbst und das Chaos, das er mit seinem Besuch bei Caroline King angerichtet hatte.
Eigentlich war alles ganz gut gelaufen. Er hatte sich sogar eingebildet, dass sie sich gefreut hatte, ihn zu sehen. Und das nicht nur, weil sie einen Sonntagnachmittag in einem leeren, potthässlichen Haus vergeudete. Jede Gesellschaft war da natürlich angenehmer, als mutterseelenallein auf Käufer warten zu müssen, die niemals kommen würden.
Aber dann hatte er es versaut, weil er von ihrem Verlobten angefangen hatte. Sie hatte Campton in Schutz genommen. So wie es sich gehörte, wenn sie tatsächlich entschlossen war, diesen Kerl zu heiraten.
Aber Dodge wusste verdammt noch mal ganz genau, dass er recht hatte. So zierlich Caroline King auch sein mochte, diese Frau besaß ein Rückgrat aus Stahl. Das hatte er bereits in dem Moment gespürt, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Sie hatte gelitten wie ein Hund und war doch zu stolz und zu starrköpfig gewesen, eine Träne vor ihm zu vergießen. Dass sie so früh Waise geworden war, hatte zweifellos zu ihrem forschen Auftreten beigetragen. Oder aber sie war schon von Kindesbeinen an so unnachgiebig gewesen, und die Umstände hatten diesen Charakterzug nur noch verstärkt.
Jedenfalls war sie stur wie ein Esel, und genau das war der Hauptgrund, weshalb sie so entschlossen war, die Hochzeit mit Roger Campton durchzuziehen.
Dodge weigerte sich schlichtweg zu akzeptieren, dass sie diesen elenden Mistkerl von ganzem Herzen liebte.
Und wieder einmal war sie stinksauer gewesen, als sie ihn hatte stehen lassen. Er verfluchte sich für seine verdammte Dämlichkeit. Woran lag es nur, dass er jede andere Frau dazu bringen konnte, sich die Kleider vom Leib zu reißen oder ihm genau die Informationen zu geben, die er von ihr haben wollte, und ausgerechnet mit derjenigen war eine normale Kommunikation unmöglich, mit der er sie sich am meisten wünschte. In ihrer Gegenwart schien ihn seine Zungenfertigkeit jedes Mal im Stich zu lassen.
Er war nach Hause gefahren, hatte einen Sixpack geleert und eine unruhige Nacht verbracht, weil seine Blase ihn ein ums andere Mal aus dem Schlaf gerissen hatte. Am nächsten Morgen war er müde und übellaunig, was höchstwahrscheinlich der Grund war, weshalb er, als er Crystal mit ihrem Verbrecherfreund neben dessen aufgemotztem Pick-up mit Monsterreifen und Spritzlappen mit doppeldeutigen Sprüchen stehen sah, den Parkplatz überquerte und von hinten zu dem tief ins Gespräch versunkenen Paar trat.
»Hey, Crystal«, sagte er – gewissermaßen eine schriftliche Einladung an den Kerl, so richtig Ärger zu machen.
Sie wirbelte herum und starrte
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