Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
Dieser Mann löste ein Unbehagen in ihr aus, das sie nicht recht einordnen konnte. Nicht einmal während ihres Vorstellungsgesprächs bei Jim Malone höchstpersönlich war sie so nervös gewesen. Und ihn hatte sie davon überzeugen müssen, dass sie trotz ihrer Unerfahrenheit eine Bereicherung für sein Team wäre. Dodge Hanleys Gegenwart machte sie verlegen und unsicher, und sie wusste nicht, was sie sagen und wo sie hinsehen sollte.
Vielleicht war es eine völlig normale Reaktion auf Polizisten. Ähnlich der Tatsache, dass Autofahrer automatisch vom Gas gehen, sobald sie eine Radarfalle sehen, auch wenn sie gar nicht zu schnell gefahren sind. Vielleicht war es Dodges angeborene Autorität, die sie so einschüchterte.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie sich immer noch für den Zustand schämte, in dem er sie bei ihrer ersten Begegnung angetroffen hatte – mit den deutlich sichtbaren Spuren von Rogers Schlag auf der Wange und der nicht minder verstörenden Wirkung auf ihre psychische Verfassung. Bereits damals hatte sie vergeblich versucht, ihre Verlegenheit vor ihm zu verbergen, ebenso wie jetzt.
Aber vielleicht hatte ihr Unbehagen in Wahrheit gar nichts mit ihr selbst, sondern mit ihm zu tun. Seine entschlossenen Züge, sein harsches Auftreten und seine unverhohlene Männlichkeit ließen ahnen, dass eine Gewaltbereitschaft in ihm schlummerte, die sich auf verheerende Weise Bahn brechen konnte – Roger hatte nach seiner Abreibung immerhin zehn Tage im Krankenhaus verbracht.
Allerdings hatte sie keinerlei Angst um ihre eigene Sicherheit. Dodge Hanley stellte keine Bedrohung für sie dar, vielmehr lag beinahe so etwas wie Ritterlichkeit und der Wunsch, sie zu beschützen, in seinem Verhalten – eine Haltung, die die Frau in ihr ansprach und eine geradezu magische Anziehungskraft auf sie ausübte.
Und diese instinktive Reaktion auf ihn ließ die Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen. Wann immer sie in seiner Nähe war, fühlte sie sich, als balanciere sie auf Zehenspitzen auf einem hohen Sprungbrett – ein beängstigendes und erhebendes Gefühl zugleich.
Erst in diesem Moment kehrte sie ins Hier und Jetzt zurück und bemerkte, dass sie einander wie gebannt angestarrt hatten. »Sind Sie immer noch bei diesem Sondereinsatzkommando?«, fragte sie, um die angespannte Stille zu brechen.
»Bis jetzt haben sie mich jedenfalls noch nicht rausgeschmissen.«
»Das heißt, der Täter ist immer noch nicht gefasst?«
»Wir arbeiten daran.«
»Ist es gefährlich?«
»Ein Kinderspiel.«
»Das bezweifle ich.« Wieder senkte sich Stille über sie. Ihr Blick fiel auf eine Spinnwebe in einer Ecke hinter ihm, während er ihr Gesicht fixierte. Sie spürte seine Augen, die über jedes Detail ihrer Züge wanderten. »Wie geht’s Ihrem Partner?«
»Gonzales?«
»Genau, Officer Gonzales.«
»Tja, ihm geht es gut. Ich glaube, er kann seinen neuen Partner besser leiden als mich, was mich ein klein wenig kränkt.«
»Auch das bezweifle ich.«
»Was bezweifeln Sie? Dass er seinen neuen Partner besser leiden kann als mich oder dass mich so etwas kränkt?«
»Dass er seinen neuen Partner besser leiden kann.«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht will Gonzales mich nur eifersüchtig machen.« Sie lächelten, dann wurde Dodges Miene ernst. »Aber ich habe durchaus Gefühle, die verletzt werden können.«
»Sonst wären Sie wohl kaum ein menschliches Wesen.«
»Oh, ich bin durchaus menschlich. Sehr sogar.« Sein Blick fiel auf den Verlobungsring, der zentnerschwer an ihrem Finger zu wiegen schien. »Wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen?«
Ein leicht gezwungenes Lächeln trat auf ihre Züge. »Toll. Es geht alles zügig voran. Allerdings gibt es noch eine Menge Kleinkram zu erledigen.«
»Partys, die Sie besuchen müssen.«
»Ja, wir waren bei der einen oder anderen.«
»Kürzlich habe ich Ihr Foto auf der Gesellschaftsseite des Chronicle gesehen.«
»Sie lesen die Gesellschaftsseiten?«
»Erst seit ein paar Monaten. Früher habe ich auch nie die Immobilienanzeigen gelesen, und heute verpasse ich keine einzige Ausgabe.« Er ließ seine Worte einige Sekunden lang im Raum stehen, ehe er fortfuhr. »Jedenfalls standen Sie und Campton nebeneinander unter diesen – wie nennt man die Dinger noch mal?« Er deutete auf die Zimmerdecke. »Diese Dinger, die von den Bäumen hängen?«
»Japanische Lampions.«
»Genau. Sah aus, als wäre es eine echt schicke Fete gewesen. Sogar der Gouverneur sei da gewesen, hieß
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