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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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MeChelle hatte recht gehabt!
    Er packte mit der linken Hand eine Latte – seine rechte Hand nützte ihm nicht mehr viel – und zog daran. Das Gesamthäuschen, jedenfalls die Überreste davon, brach mit einem leisen Seufzen auseinander. Wahrscheinlich war es seit fünfzig Jahren nicht mehr in Gebrauch, aber es roch trotzdem nicht so toll. Er zerrte weiter an den Latten und bahnte sich den Weg zum Loch.
    Das Latrinenloch war mit den Jahren ein wenig verschlammt … aber es war noch da, etwa einen Meter tief, umgeben von einem kleinen gemauerten Ring. Die Ziegel waren vermutlich das Einzige, was es daran gehindert hatte, sich über die Jahre komplett zu füllen, weil so das Regenwasser drum herumfloss, statt hinein. Er schaute über den Rand. Konnte nichts sehen.
    Er löste seine Taschenlampe vom Gürtel. Ein kleines, aber sehr kräftiges Ding. Er zielte mit dem Strahl in das Loch. Da unten war etwas, ein grauer Klumpen, der auf dem roten Lehm am Boden lag.
    Er legte sich hin. Der Druck auf seiner Brust wurde beinahe unerträglich, als er tief in das Loch langte. Er tastete herum, packte den grauen Klumpen, bewegte ihn mit den Fingern hin und her, bis er sich löste.
    Ein Messer!
    Es war ein Bowiemesser – so eines, wie es jeder bescheuerte Möchtegern-Rambo in den Achtzigern hatte –, auf der Rückseite geriffelt, genau wie es im Obduktionsbericht gestanden hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach achtzehn Jahren in diesem Loch noch brauchbare DNA gab, war praktisch null. Aber die Klinge war ungewöhnlich. Das deutete ziemlich klar darauf hin, dass es sich um die Mordwaffe handelte.
    Gooch stand langsam auf, dann wurde ihm einen Augenblick schwarz vor Augen. Er atmete tief durch, und es wurde wieder besser.
    Er ging auf das Haus zu. Er musste die Vorschriften einhalten. Aber er hatte nichts, um das Messer einzutüten.
    Der Hof erschien ihm endlos. Schließlich erreichte er den Truck. Auf der Ladefläche stand eine Werkzeugkiste. Er öffnete sie, schaute hinein. Eine Papiertüte voller Nägel. Er schüttete die Nägel auf den Boden, legte das Messer in die Tüte, machte sie zu, sicherte sie mit Klebeband. Dann nahm er einen Stift aus der Tasche, unterschrieb und notierte das Datum auf der Tüte.
    In Ordnung. Jetzt hatte er ein vorschriftsmäßiges Beweisstück.
    Er stieg zurück in den blauen Truck, setzte sich auf den Fahrersitz. Seine Hose war klebrig und eklig von dem ganzen Blut. Er holte tief Luft und spürte ein Blubbern in der Brust.
    Das ist nicht gut, dachte er. Auf dem Beifahrersitz lag eine Rolle Klebeband. Er wickelte es sich fünf- oder sechsmal um die Brust; jedes Mal wenn er den Arm hob, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Aber als er fertig war, hatte das Blubbern in seiner Brust aufgehört.
    Ein flüchtiger Gedanke: Klebeband – Mann, was würden wir ohne dieses Zeug machen?
    Er wollte gerade den Wagen anlassen, als er ein Telefon klingeln hörte. Eigentlich war es kein Klingeln, sondern eine dieser schwachsinnigen Melodien, die heutzutage jedermanns Telefon auszustoßen schien, statt einfach nur normal zu klingeln. »Whole Lotta Love«, der Led-Zeppelin-Song.
    Robert Plant stöhnte, dass er irgendwem jeden Zentimeter seiner Liebe verpassen würde. Es klang, als träte jemand auf eine rollige Katze.
    Meredith’ Handy lag auf dem Armaturenbrett, ein grünes Lämpchen blinkte.
    Robert Plant stöhnte noch einmal.
    Gooch griff nach dem Telefon, klappte es auf. Im Display stand PRIEST, JOSEPH.
    Robert Plant stöhnte und jaulte immer noch.
    Gooch drückte auf den grünen Knopf. »Ja?«
    »Vince?«
    Gooch versuchte, so wenig wie möglich zu sagen. Vielleicht würde Priest glauben, dass er mit Vincent Meredith sprach. »Mmm-hmm.«
    »Du klingst komisch, Vince.«
    Gooch sagte nichts. Ein falsches Wort konnte die Sache auffliegen lassen.
    »Hey, egal«, sagte Joe Priest. »Ich habe keine Zeit für diesen Quark. Hör mal, ich habe gerade einen Anruf von einem meiner Gebäudeaufseher bekommen. Er sagt, dass irgendwas Komisches in einem dieser kleinen Wohnblöcke abgeht, die wir umbauen. Er will einfach nur mal nach dem Rechten sehen und findet diesen merkwürdigen Aufbau. Die Fenster sind vernagelt. Neue Tür, neues Schloss. Eine Überwachungskamera über der Tür. Er fürchtet, es sei vielleicht ein Crackhaus oder so.«
    Gooch wartete.
    »Vince, muss ich dir denn alles erklären? Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen unserer Wohnblöcke in ein Crack-haus verwandelt hat. Ich glaube, dass diese

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