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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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Rotzlappen auf einen Blinden zu werfen.«
    »Der Gedanke ist mir gekommen, ja.«
    »Alle sind gleich, Junge«, sagte Gooch. »Wenn du ein guter Cop sein willst, solltest du auf niemandes Seite sein. Das macht dich blind. Kein Wortspiel. Die, auf deren Seite du bist – das sind oft die Schlimmsten von allen.«
    »O je!«, sagte der Junge. »So habe ich das noch nie betrachtet.«
    Außerdem – Gooch sagte es nicht, aber der Typ kam ihm irgendwie komisch vor. Nicht, dass er das dem Jungen gegenüber zugeben würde. War es, weil der Kerl blind war und einfach so ins Leere starrte? Oder weil er Homo war? Nein. Irgendwas an dem Typen stimmte nicht. Er konnte aber noch immer nicht genau sagen, was es war.
    Während sie dasaßen, trat ein blondhaariger Mann mit einem Schnauzbart, der ein rotes Käppi trug, eine leuchtend gelbe Jacke und eine sehr enge Bluejeans, aus dem Fahrstuhl in das Parkhaus, sprang in einen roten Jaguar und schoss davon. Auf dem Nummernschild stand SWEET E.
    »Ich frage mich, wieso Fergus’ Freund es so eilig hat?«
    Cody Floss schaute Gooch mit leerem Blick an, nach dem Motto: Hä?
    Großer Gott, dachte Gooch. Kriegt der Junge eigentlich irgendwas mit?

16
    MeChelle verlor nicht wirklich das Bewusstsein. Es war eher so, dass sie einen gewaltigen Schmerz verspürte, der ihr Bewusstsein vernebelte. Und dann – einfach so – war es vorüber. Als der Schmerz nachließ, lag sie am Boden.
    Sie betastete ihre Brust. Zwei dünne Drähte hingen aus ihrer Bluse heraus. Sie brauchte eine Minute, um zu begreifen. Der Typ im Zimmer hatte sie getasert. Sie riss sich die Drähte aus der Bluse.
    »Arschloch«, flüsterte sie. »Was willst du?«
    Aber sie bekam keine Antwort. Nur ein leises Pfeifen, als er die Drähte einzog. Sie verschwanden wieder in dem Elektroschockgerät.
    »Was willst du?«
    Aber sie bekam keinen Laut als Entgegnung. Er rührte sich nicht. Atmete nicht schwer. Verlagerte nicht einmal sein Gewicht. Es war, als bestünde er aus einem Eisblock.
    MeChelle tastete um sich. Schließlich schlossen sich ihre Finger wieder um das Glas des abgebrochenen Ketchupflaschenhalses.
    Denk nach! Es musste doch etwas geben, was sie tun konnte.
    Das Problem war nur, dass sie sich schwach und fertig fühlte. Möglicherweise tat er nichts, um sie zu bedrohen. Es schien so, als würde er, solange sie ihn in Ruhe ließ, sie in Ruhe lassen.
    Was bedeutete … Ja was? Dass er sie bloß beobachtete.
    Und da hatte sie eine Idee. Das würde richtig weh tun. Aber sie musste es versuchen. Was der Typ wahrscheinlich über Taser nicht wusste, war, dass sie eine Menge Saft verbrieten. Man konnte die Batterie ziemlich schnell auslutschen, wenn man wollte.
    »Hast du einen Namen?« Keine Antwort. Sie musste ihn ablenken.
    »Wichser? Arschloch? Muttersöhnchen? Schwanzlutscher? Scheißefresser? Hmm?« Sie versuchte ihn zu provozieren.
    Aber das funktionierte nicht. Sie bekam keine Antwort, keinen Laut, nicht einmal eine Bewegung.
    Sie stand da, atmete tief durch, warf sich dorthin, wo er zuvor gestanden hatte. Diesmal hörte sie, wie er sich bewegte, ein leichtes Ausatmen, das Rascheln von Kleidung, als er zur Seite trat. Sie schwang den Flaschenhals in seine Richtung, spürte, wie er auf etwas Weiches traf.
    »Wie gefällt dir das, du Penner?« sagte sie.
    Und dann war da wieder die Schmerzmauer. Der letzte Gedanke, den sie hatte, war: Halt bloß die Ketchupflasche fest!
    Diesmal ließ er den Taser ein wenig länger an. Ihre Muskeln zuckten und ruckten, und schließlich verlor sie das Bewusstsein. Als sie zu sich kam, schmerzten ihre gesamten Bauchmuskeln. Es fühlte sich an, als hätte sie etwa fünfhundert Sit-ups gemacht.
    Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu orientieren. Sie spürte den Hals der Ketchupflasche in der Hand, drückte ihn an ihren Bauch.
    Eine Minute lang wollte sie bloß so liegen bleiben. Aber schließlich rappelte sie sich auf und begann so zügig sie konnte, durch das Zimmer zu streifen.
    »Komm schon, du Penner«, sagte sie und schwang den schartigen Flaschenhals. »Du bringst doch nichts.«
    Sie schlug mit der Hand gegen die Mauer, was ihr Handgelenk schmerzen ließ. Aber sie verlor den Flaschenhals nicht. Und sie watete durch den Schmerz. Kämpf! Konzentrier dich! Wenn sie es schaffte, dass der Kerl sie noch ein paar Mal abballerte, dann würde die Batterie im Taser leer sein, und sie könnte sich den Typen schnappen. Dann war es nur noch eine kleine blinde Frau mit einer Ketchupflasche gegen …

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