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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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ich frage mich nur, warum Sie mich das fragen.«
    »Ich frage, weil ich frage.«
    Der blinde Mann saß lange Zeit reglos da. Schließlich sagte er: »Seit ich neun bin.«
    »Bardet-Biedl, Makuladegeneration oder was?« Gooch erinnerte sich an das, was er vor ein paar Stunden im Internet gelesen hatte.
    »Sie kennen sich aus mit Augenkrankheiten.« Ein eigenartig schiefes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Blinden, verschwand dann aber spurlos. »Nein. Ich habe einen Baseball an den Kopf bekommen.«
    »Von wem?«
    »Das tut doch sicher nichts zur Sache.«
    Gooch saß da und beobachtete den Mann. Zehn Sekunden vergingen. Zwanzig. Dreißig.
    Eine Minute.
    Schließlich sagte Fergus: »Sein Name war Kevin Woodruff. Er war drei Jahre älter als ich. Allerdings, soweit ich mich erinnere, kein besonders guter Spieler. Dummerweise habe ich ausgerechnet in dem Moment nicht aufgepasst, in dem er den besten Schlag seines Lebens hinlegte.«
    »Wo sind Sie aufgewachsen?«
    »Hier. Meine Eltern haben mich nach dem Unfall auf die Oakdale Blindenschule geschickt.« Er machte eine Pause. »Außerdem trage ich Hosen in Größe zweiunddreißig/vierunddreißig, und mein Englischlehrer in der vierten Klasse hieß Mr Robbins. Er hat gelispelt.«
    Auf dem Tisch stand eine Schachtel mit Kleenex. Gooch zog ein Tuch heraus, knüllte es zusammen, warf damit nach dem Blinden. Es prallte von seinem Kopf ab und fiel zu Boden. Fergus zwinkerte nicht einmal, bevor das Taschentuch ihn traf.
    »Tut mir leid«, sagte Gooch. »Abgerutscht.«
    »Wenn Sie genug Spaß gehabt haben, dann müsste ich etwas aufnehmen.« Mit lauter Stimme sagte er: »Zeit!«
    Eine Stimme aus einem Lautsprecher über ihm sagte: »Die Zeit ist … elf … Uhr … sieben … und … vierzig … vormittags.«
    »Schick«, sagte Gooch. »Was muss man denn für so ein Dings bezahlen?«
    »Ich habe noch zehn Minuten Zeit«, sagte der Blinde. »Ich würde sie an Ihrer Stelle nicht mit einem Gespräch über Höruhrentechnologie verschwenden.«
    »Wo haben Sie 1988 gewohnt?«
    »279 Orme Street. Das ist in Midtown.«
    »Mmm-hmm. Wissen Sie noch, was in der Nacht des 13. Mai 1988 getan haben?« »Ich glaube schon, ja.« »Was denn?« »Jemand umgebracht, wenn ich mich recht erinnere. Aber ich muss Ihnen sagen, ich habe so oft gemordet, dass es mir nicht leichtfällt, mich an alle Daten zu erinnern.«
    »Sarkasmus funktioniert bei mir nicht, Mr Fergus. 13. Mai 1988.«
    »Woher soll ich das wissen? Das ist achtzehn Jahre her.«
    »Kennen Sie eine Kathleen Morris-Bolligrew?«
    »Nein.«
    »Lane Priest?«
    »Auch nicht.«
    »Überhaupt jemand namens Bolligrew? Oder Priest?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Wurden Sie jemals wegen eines Verbrechens verurteilt?«
    »Nein.«
    »Angeklagt?«
    Es folgte ein winziges Zögern, bevor der Blinde sagte: »Selbst wenn ich den Drang der übelsten Verbrecher der Welt empfände – was ich nicht tue –, ist es schwierig genug für mich, in einen Laden zu gehen und Lebensmittel einzukaufen. Ein Leben als Verbrecher wäre undurchführbar für mich.«
    Gooch zog aus seiner Tasche den MP3-Player, den er auf Me-Chelle Deakes Schreibtisch gefunden hatte, und spielte den Wild Adventure-Werbespot vor.
    »Ist das Ihre Stimme?«, sagte er, als er vorbei war.
    »Ist es. Ich hoffe, Werbung ist kein Verbrechen geworden, sonst muss ich wohl Sozialhilfe beantragen. Abgesehen von meiner Stimme habe ich leider überhaupt keine verkäuflichen Talente. Vielleicht könnte ich Masseur lernen oder Blues spielen. Das sind auch ausgezeichnete Berufsbilder für Blinde, hat man mir gesagt.«
    Gooch machte ein paar Notizen. Das Ganze sah nach einer elenden Sackgasse aus.
    »Wie viel bekommen Sie für einen solchen Werbespot bezahlt?«
    »Ein paar Tausend. Plus Tantieme, wenn er länger als drei Monate läuft oder in anderen Märkten. Einmal habe ich einen TV-Spot für Margarine gesprochen, der vier Jahre auf allen möglichen Märkten lief. Inklusive Kanada und Guam, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe dafür über zehntausend Dollar Tantieme bekommen. Nicht schlecht für dreißig Sekunden Arbeit.«
    Der Kerl liebte wahrhaftig den Klang seiner eigenen Stimme. Andererseits, vermutete Gooch, war das in seinem Job wahrscheinlich ein Vorteil.
    »Warum reden Sie so?«, fragte Gooch.
    »Wie, so?«
    »Sie sprechen verhältnismäßig förmlich. Ein solches Gebaren legt heutzutage nur noch in den seltensten Fällen jemand an den Tag.«
    »Ein solches Gebaren legt heutzutage nur noch in den

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