Blindes Grauen
blöd.«
»Warum nicht?«
»Weil sie dann bloß zum Grundbuchamt müssen, danach suchen, und alle tauchen sofort auf.«
Gooch erhob sich, ging zur Tür, blieb stehen. »Ich fand den Song ›Sweet Caroline‹ immer Mist«, sagte er.
»Ha-ha-ha«, sagte Neil Diamond.
»Schon mal gehört?«
Der Anwalt schaute genervt auf. »Wollen Sie mir was vorwerfen? Weil, ich tue wirklich alles, was ich kann, okay? Ich mach alles total mit.«
Regel Nummer eins bei Zeugen, die Dreck am Stecken haben: Lass sie nie vom Haken. Niemals.
»Mal sehen«, sagte Gooch. Dann klappte er sein Handy auf und rief eine Frau an, die er beim Grundbuchamt kannte. »Hey, Schätzchen«, sagte er. »Hier ist Hank. Ja, ich bin noch am Leben. Du musst mir einen Gefallen tun.«
42
Es dauerte eine Weile, bis der Stille Mann MeChelle den Treuhänderfonds-Vertrag vorgelesen hatte – er sprach in einem leisen Flüsterton. Sie musste ihn Teile überspringen lassen, so lang war er. Da sie den Text nicht selbst überfliegen konnte, fiel es ihr schwer zu entscheiden, was er auslassen sollte und was nicht.
Als er fertig war, wusste sie auch nicht weiter. Da war eine Menge juristisches Geschwafel, aber all dieser Anwaltskram sagte ihr gar nichts. Letztlich schien es darum zu gehen, wie das Geld von Kathleen Bolligrews Vater verteilt würde.
Im Grunde war es so, dass der Treuhänderfonds eingerichtet worden war, damit der Großteil des Geldes an Kathleen Bolligrew ging; etwa zehn Prozent wurde hälftig unter ihren Kindern verteilt. An Nathans Geld hingen eine ganze Reihe Bedingungen. Er musste regelmäßig Drogentests über sich ergehen lassen. Er musste vier Jahre lang eine Universität besuchen, die in der U.S. News & World Report Universitäten-Übersicht mindestens als »wettbewerbsfähig« eingestuft war. Er musste einen Durchschnitt von 3,0 vorweisen. Er musste nach sechs Jahren mit einem Bachelor abschließen, um weiterhin Geld aus dem Treuhänderfonds zu erhalten. Und so weiter. Es gab noch eine Menge anderer Bedingungen – von denen die meisten ziemlich ätzend für einen Neunzehnjährigen gewesen sein mussten.
Außerdem stand da ein Haufen Anweisungen für den Treuhänder. Es gab offensichtlich einen Anwalt, der dafür verantwortlich war, den Fonds zu betreuen – sie bezeichneten ihn nur als »den Treuhänder«. Der Treuhänder war verantwortlich dafür, sicherzustellen, dass Nathan alle Bedingungen einhielt, dass die Buchhaltung in Ordnung war, dass jährliche Buchprüfungen stattfanden, dass Auslagen erstattet wurden und so weiter.
MeChelle wartete die ganze Zeit auf den Teil, der Nathan inkriminieren würde, der ihm ein Motiv gäbe. Aber der kam nie. Der Fonds war so aufgebaut, dass er, wenn er nicht zur Uni ging, wenn er nicht alle Bedingungen erfüllte, gar nichts kriegte. Und selbst wenn er das tat, bekam er nie mehr als seinen Anteil. Lane war die Einzige, die profitierte, wenn ihre Mutter starb. Wenn Kathleen Bolligrew nicht mehr war, fiel ihr Anteil an Lane.
Aber das war kein Mordmotiv – nicht für eine Elfjährige.
Und abgesehen davon? Das ganze Ding war verdammt langweilig.
Schließlich schwieg der nicht mehr länger schweigsame Stille Mann. »Das war wohl alles, schätze ich«, sagte er.
MeChelle war verwirrt. »Mehr ist da nicht?«
MeChelle hörte Papier rascheln. »Na ja«, sagte der Stille Mann schließlich, »es gibt etliche Anhänge. Anhang A, Anhang B – bis zu Anhang G.«
»Was ist Anhang A?«
»Der heißt ›Liegenschaften‹. Das ist eine Liste von … sieht aus wie Immobilien.«
»Anlage B?«
»Da steht ›Geldanlagen‹.«
»Anlage C?«
»›Treuhänder‹.«
»Oh. Ja. Wer ist der Treuhänder?«
Der Stille Mann las den Namen vor.
Einen Moment lang konnte sie mit dem Namen gar nichts anfangen. »Was?«, fragte sie.
Er las den Namen noch einmal.
»Nein«, sagte sie. »Das kann nicht sein.«
»Ich kann ihn noch mal lesen, wenn Sie wollen.«
Sie runzelte lange die Stirn. Aber schließlich lächelte sie. Das war interessant. Das war es sicher wert, sich genauer damit zu beschäftigen. Plötzlich begann das Telefon zu klingeln.
Sie packte es. »Gooch! Wo warst du?«
Aber sie bekam keine Antwort. Die Leitung war tot.
43
Also, es gibt gute und schlechte Nachrichten, Sir.«
Hank stand hinter Cody Floss, der sich über das schwarze Kästchen neben dem Computer beugte. Sie befanden sich im Hinterzimmer des Hauses, wo die Schüsse gefallen waren. Der Deckel des schwarzen Kästchens lag auf dem Boden neben
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