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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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ruhig, ein angenehm warmes Gefühl flutete durch seine Adern. Sein Sichtfeld erschien ihm ungewöhnlich präzise, jede Kleinigkeit in diesem beschissenen kleinen Zimmerchen war deutlich zu erkennen – das Sonnenlicht glitzerte in der klebrig-roten Flüssigkeit auf dem Boden, die Farbe blätterte von den Wänden, DeFreeze’ Augäpfel waren leicht gelblich verfärbt. Selbst den kupferartigen Duft des Blutes sog Gooch in sich auf.
    Warum macht mir das solche Freude?, dachte er.
    »Cody«, sagte Gooch leise. »Bring das Ding in Ordnung.«
    Es schien ewig zu dauern, bis Cody das Mikrofonkabel zerlegt hatte, einen roten Draht herauszog, die Enden abisolierte und um die jeweiligen Drahtenden in dem schwarzen Kästchen drehte. Aber schließlich leuchtete das grüne Lämpchen vorne an der schwarzen Kiste wieder auf.
    Und blieb so.
    Gooch drückte mit dem Daumen auf Wiederwahl, während er immer noch mit seiner Glock direkt auf DeFreeze’ Kopf zielte.
    Das Telefon klingelte, klingelte wieder. Dann eine Stimme. MeChelle.
    Gooch’ Herz jauchzte.
    »Hank?«, sagte sie. »Hank! Wieso hast du so lange gebraucht?«
    »Ich bin’s«, sagte Gooch.
    »Hank? Hallo? Hank?« Irgendetwas stimmte nicht. Der Ton verschwand, kehrte zurück, brach wieder ab.
    »MeChelle!« Gooch sprach jetzt lauter. »Hör mir zu.«
    »Hank? Ist da jemand? Hallo?«
    Hank schaute wütend zu Cody Floss hinüber.
    »Irgendetwas stimmt nicht«, sagte Cody. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Vielleicht hat ein Splitter eine andere Komponente getroffen, aber …«
    »Hank, … öre … dumuss… und der Tr… alse… wenn du kannst …« MeChelle sagte irgendwas, sie klang besorgt. Die Störungen wurden immer schlimmer.
    »MeChelle! Kannst du mich hören?«
    »Hör zu! Wenn du kannst … wiederhole … Joe …twas stimmt nicht … du musst … der Treuhände… Riester…«
    Dann war die Leitung tot.
    Gooch fluchte.
    »Das muss nun wirklich nicht sein«, sagte DeFreeze leise.
    Gooch starrte den Mann an, als wäre er ein Außerirdischer. Leben und Tod verpesteten die Luft, und in seinem mickrigen Idiotenhirn beschäftigte ihn nichts anderes, als ob man schimpfte oder nicht? Was für verrückte Wertesysteme unterhielten Leute, deren Gedanken derart pervers ausfielen?
    »Cody, bring diese Kiste in Ordnung!«, rief Gooch.
    »Sir, ich weiß nicht, ob ich das kann.«
    »Mach es einfach!«
    DeFreeze schüttelte den Kopf.
    »Hören Sie, Major«, sagte Gooch. »Ziehen Sie Ihre Leute zurück. Riegeln Sie das Gebiet ab, rufen Sie die Bombenexperten, was immer Sie wollen. Aber Sie müssen den Jungen weiterarbeiten lassen.«
    DeFreeze kniff die Augen zusammen. Gooch steckte seine Pistole ein und trat zwischen DeFreeze und Cody. DeFreeze’ Glock zielte jetzt direkt auf Gooch’ Gesicht. »Hören Sie, Eddie«, sagte Gooch. »Zum Teufel mit dem Dienstrang. Zum Teufel mit den Regeln. Zum Teufel mit der Vorgehensweise. Wir müssen die Regeln einmal beiseitelassen. Bitte.«
    Eddie DeFreeze starrte Gooch tief in die Augen.
    »Bitte«, sagte Gooch noch einmal.
    »Ich sage Ihnen, was ich mache, Gooch.« DeFreeze steckte langsam seine Pistole weg. »Ich ziehe meine Leute zurück, sichere den Bereich, lasse ihn arbeiten.«
    »Danke«, sagte Gooch leise.
    »Aber Sie? Sie haben die direkten Anweisungen eines Vorgesetzten missachtet. Und dann haben Sie mich mit einer Waffe bedroht. Das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie müssen mit mir ins Büro kommen.«
    »Sobald alles vorbei ist, können Sie machen, was Sie wollen«, sagte Gooch.
    Dann huschte er an DeFreeze vorbei und begann zu laufen.
    Er sauste gerade durch die Haustür, als ihm etwas klar wurde. In den jetzt gut zwölf Jahren hatte es nie einen Augenblick gegeben, in dem er nicht genau gewusst hatte, wohin er unterwegs war. Wohin ganz genau er unterwegs war.
    Aber gerade jetzt? Er hatte keine Ahnung.
    Zum ersten Mal seit Jahren, zum ersten Mal seit dem Morgen, an dem sie den misshandelten Körper seiner kleinen Tochter aus dem Dickicht im Wald geborgen hatten, wo sie aufgefunden worden war, empfand er Panik.

44
    MeChelle stand in der Dunkelheit und hielt das Telefon in der Hand.
    Wer immer hinter diesem Wahnsinn steckte – er hatte sich wahrscheinlich eingeredet, an alles gedacht zu haben. Aber er hatte unrecht. Die Stimme verlor die Kontrolle über die Angelegenheit. Sie konnte es in ihren Knochen spüren. Irgendetwas war schiefgelaufen. Und wenn die Stimme Angst bekam, würde sie wahrscheinlich alle einfach umlegen,

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