Blindes Grauen
Beifahrer.
»Rutsch rüber«, sagte Gooch noch einmal.
Der Beifahrer hob die Hände, Handfläche nach oben, ergab sich. Dann erhob er sich und kletterte über die Schaltung hinweg auf den Rücksitz. Gooch sagte. »Fahr.«
»Sir«, sagte der Fahrer. »Ich glaube, Sie verstehen nicht ganz …«
»Schnauze«, sagte Gooch. »Fahr los.«
46
Darf ich fragen, wo wir hinwollen?« Raymondo fuhr nordwärts in Richtung der Wolkenkratzer in der Innenstadt.
»Darfst du.« Gooch war jetzt entspannt, beinahe aufgeregt. Sie hatten die Sirenen schon fünf Minuten lang hinter sich gelassen.
»Äh, wo fahren wir hin?«
»Wir wollen zum Büro von Schumacher, Dillman und Priest. Kennen Sie die?«
Eine lange Pause. »Okay, ja, die kenne ich. Die sind im Bank of America Building in der North Avenue.«
»Ausgezeichnet.«
Raymondo fuhr weiter.
»Kann ich euch mal was fragen?«, fragte Gooch.
Raymondo zuckte mit den Achseln.
»Ich bin jetzt schon seit zwölf Jahren bei der Polizei. Und so wie ihr euch anzieht, kann man überhaupt nicht sagen, ob ihr Zuhälter oder Jurastudenten seid. Wäre es nicht einfacher, wenn man euch anhalten könnte und euch nicht belästigen müsste?«
»Dann würden sich die Zuhälter anziehen wie Jurastudenten, und Sie wären auch nicht klüger«, sagte Raymondo. »Wir wären trotzdem bloß ein Wagen voller Nigger für Sie.«
»Hmm«, machte Gooch. Da war was dran. Er entschied sich, besser über andere Dinge nachzudenken.
Ein paar Minuten später hielten sie vor einem braunen Hochhaus mit einer Spitze, die aus einem Wirrwarr unverkleideter Stahlträger bestand. Lange hatte Gooch gedacht, sie wären mit dem Gebäude einfach noch nicht fertig. Er hatte ein oder zwei Jahre gebraucht, bevor er begriff, dass es so designed war.
»Da rein.« Gooch deutete auf das Besucherparkhaus. Raymondo fuhr mit dem Hummer hinein. Es dauerte lange, bis sie einen Parkplatz fanden, der groß genug für den Wagen war.
»Okay«, sagte Raymondo, als sie schließlich standen, »wir waren sehr geduldig, Sir.«
»Wessen Anzüge sind das?«, fragte Gooch und deutete auf die Plastikfolien der Reinigung hinten.
»Meine«, sagte Raymondo.
»Ihr seid etwa gleich groß. Es wird besser gehen, wenn ihr Anzüge anhabt.«
»Was wird besser gehen?«
»Wenn ich euch das sage, verderbe ich euch den Spaß.«
Raymondo und der andere junge Mann warfen einander einen Blick zu. Gooch hatte unterwegs erfahren, dass der andere junge Mann Walter Wilcox hieß.
»Wir machen besser mit, okay?«, sagte Walter Wilcox leise.
»Hör auf Walter«, sagte Gooch. »Walter ist ein ziemlich cleverer junger Mann, das kann ich sehen.«
Raymondo kletterte nach hinten. Die beiden jungen Männer zogen sich um. Als sie fertig waren, sahen sie aus wie Nachwuchs-Anwälte, nicht mehr wie Zuhälter.
Raymondo stieg aus, knöpfte sein Anzugjackett zu, zog seine Manschetten hervor, richtete seine Krawatte. Die ganze Geschichte sah aus, als hätte sie ein Monatsgehalt von Gooch gekostet.
»Und jetzt«, sagte Raymondo streng, »sagen Sie uns entweder, worum es geht, oder es ist Schluss.«
Walter hingegen zeigte ein kleines Lächeln. Irgendwo unterwegs hatte der Junge angefangen, Spaß an der Sache zu finden.
»Es ist Praktikumstag bei der Polizei«, sagte Gooch. »›Erfahren Sie den Kick echter Verbrechensbekämpfung.‹«
»Was für ein Blödsinn«, sagte Raymondo.
Gooch zog seine Marke heraus und reichte sie Walter. »Fühlen Sie mal.«
Walter hielt sie in der Hand, wog sie.
»Klemmen Sie sie an Ihren Gürtel.« Walter befestigte die Marke an seinem Gürtel, zog sein Jackett zur Seite, sodass sie zu sehen war, deutete dann mit seinem Zeigefinger – als wäre der eine Waffe – auf seinen Freund. »Auf die Knie, Mann!«, rief Walter.
Raymondo schien das gar nicht lustig zu finden.
»Gehen wir, Jungs«, sagte Gooch.
»Das tun wir nicht«, sagte Raymondo.
»Komm schon, Mann!«, johlte Walter. »Das wird ein Brüller.«
Raymondo runzelte die Stirn.
Gooch ging los. Walter folgte. Als sie beim Fahrstuhl waren, hatte Raymondo sie eingeholt. An der Wand neben den Fahrstühlen hing ein Schwarzes Brett, Anzeigen für alle möglichen Dienstleistungen, die man für dieses Gebäude bestellen konnte: Massagen, Blumen, Ölwechsel, Essen. Auf einem blauen Zettel warb jemand für eine Anwalts-Softballmannschaft.
Gooch nahm den blauen Flyer von der Pinnwand, faltete ihn sorgfältig und reichte ihn Walter. »Steck das in deine Brusttasche«, sagte
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