Blindes Vertrauen
Green stattgefunden. »Das hat die Story noch sensationeller gemacht, weil er gerüchteweise als zukünftiger Richter am Obersten Bundesgericht gehandelt wurde. Ich habe vor der Kamera darüber spekuliert, ob die SchieÃerei politisch motiviert gewesen sein könnte. War Richter Green die Zielscheibe eines oppositionellen Radikalen gewesen? Oder handelte es sich um einen Racheakt für ein unbequemes Urteil? Hatte er überlebt, war er verletzt?
Wie sich herausstellen sollte, war Richter Green auf dem Golfplatz, als die Sache passiert war. Ein Caddie informierte ihn über die laufende Fernsehberichterstattung. Der Vorfall hatte sich in der Verhandlung eines anderen Richters ereignet, und Schaden genommen hatte lediglich eine Deckenleuchte, die heruntergeschossen worden war, als der Gerichtsdiener einem Angeklagten, der sein Jagdgewehr als Beweisstück in einem Zivilprozeà wegen Wilderei mitgebracht hatte, die Waffe abnehmen wollte.
»Meine Augenzeugin hat sich später als leicht debile Frau erwiesen, die in der Kellercafeteria Eistee und Wasser ausgeschenkt hat. Soviel bekannt war, ist sie nie übers Erdgeschoà des Gerichtsgebäudes hinausgekommen.
Mein Schicksal besiegelt hat die Tatsache, daà mein Sonderbericht die Serie The Young and the Restless unterbrochen hat. Richter Greens Frau hat nie eine Folge versäumt. Auf meinen Bericht hin ist sie aus dem Haus gelaufen, über einen Rasensprenger gefallen und hat sich das rechte Handgelenk gebrochen. Auch andere Zuschauer waren über die Programmunterbrechung empört â erst recht, als sich herausgestellt hat, daà sich im Gerichtsgebäude kein Drama ereignet hatte⦠jedenfalls keins, das mit einer Seifenoper hätte mithalten können.
Mit ihren wütenden Anrufen haben sie unsere Telefonvermittlung heiÃlaufen lassen.
Meine Glaubwürdigkeit war danach gleich Null. Die des Senders auch. Die Nachrichtenredaktion hat den Spott unserer Konkurrenz erdulden müssen. Und für den Fall, daà jemand die Geschichte nicht mitbekommen hatte, haben die Fernsehkritiker der Lokalzeitungen sie noch tagelang ausgewalzt. Die Geschäftsleitung des Senders hat Daily heftige Vorwürfe gemacht, weil er mich eingestellt hatte. Daà er damals seinen Job behalten hat, war ein Wunder. Er hat mich sofort rausgeschmissen. Der einzige, der von dieser Sache profitiert hat, war Richter Green, der jetzt Bundesrichter ist.«
»Aber ein unbeliebter.«
»Was ein weiterer Minuspunkt auf meinem Konto ist. Mehrere Experten haben in Leitartikeln behauptet, Richter Greens Ernennung wäre niemals durchgegangen, wenn er nicht als Resultat meines Fiaskos auf einer Woge des Mitgefühls ins Amt getragen worden wäre. Das amerikanische Volk hat es also mir zu verdanken, daà es mit einem ziemlich unfähigen Bundesrichter leben muÃ. Das ist übrigens Dailys Theorie.«
»Wie seid ihr Freunde geworden, obwohl das alles zwischen euch gestanden hat?«
»Vor ein paar Jahren habe ich durch Kollegenklatsch erfahren, Daily sei wegen seines Emphysems vorzeitig pensioniert worden. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, ihm einen Höflichkeitsbesuch abzustatten.« Das sagte sie mit einem kleinen Mona-Lisa-Lächeln, und er fragte sich, welches Geheimnis sich dahinter verberge.
»Daily hat zugegeben, mich hart angefaÃt zu haben, weil es mir nicht an Talent, sondern an Reife und gesundem Menschenverstand fehlte. Er war bereit, mir zu helfen, wenn ich den Mund hielte und zuhörte. Seit damals ist er mein bester Freund.«
»Warum hältst du eure Freundschaft geheim?«
»Hauptsächlich, weil sie etwas Persönliches ist und ich immer streng darauf geachtet habe, Beruf und Privatleben voneinander zu trennen. Und zweitens, weilâ¦Â«
»Weil deine Kollegen keinen Respekt mehr vor dir hätten, wenn bekannt würde, daà du dich mit deinem ehemaligen Feind ausgesöhnt hast.«
»Sehr scharfsinnig, Mr. Bondurant. Wenn man in dieser Branche die Brücken hinter sich abbricht, leistet man meist ganze Arbeit, so daà man nicht mehr zurückkann. WüÃten die anderen, daà ich jetzt mit Daily befreundet bin, würden sie mich für einen Softie halten, der sich in einem von erbitterter Konkurrenz geprägten Beruf zu behaupten versucht.«
Ihr Lächeln war so treuherzig naiv, daà es ihm widerstrebte, es zu zerstören. »Dein Geheimnis ist keins mehr,
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