Blindes Vertrauen
Barrie. Ich habe sie beschattet, während sie dich beschattet haben. Sie wissen, wo du jetzt wohnst.« Als sie kummervoll ächzte, fügte er rasch hinzu: »Ich glaube nicht, daà sie Daily belästigen werden. Aber wir sollten ihn gleich morgen früh davon in Kenntnis setzen.«
»Warum beschatten sie mich?«
»Die meisten Secret-Service-Agenten, die David, Vanessa und dem WeiÃen Haus zugeteilt sind, gehören zu Spences Leuten. Sie haben die vorgeschriebene Ausbildung hinter sich und alle Tests bestanden, aber sie sind seine Männer.«
»Wie können sie sich über die Vorschriften hinwegsetzen?«
»Das ist gerade das Schöne daran. Sie setzen sich nicht über sie hinweg. Sie sind geschmeidig wie Quecksilber. Sollte jemand sie zur Rechenschaft ziehen wollen, können sie behaupten, daà du in die Kategorie der seelisch gestörten Personen fällst, die vorbeugend überwacht werden müssen.«
»Um es gelinde auszudrücken«, murmelte sie.
»Versuch jetzt zu schlafen.«
Gray stand auf, knipste die Nachttischlampe aus, ging ans Fenster zurück und sah wieder durch die Jalousie. Er suchte den Parkplatz des Motels fünf Minuten lang nach verdächtigen Autos oder Bewegungen ab.
Als er sich vergewissert hatte, daà sie ihren Verfolgern für diesmal entkommen waren, blickte er zum Bett hinüber und sah beunruhigt, daà Barrie ihn beobachtete. »Ich dachte, du seist längst eingeschlafen.«
Sie lag wieder auf der Seite, aber jetzt hatte sie die Hände flach unter ihre Wange geschoben. »Wer bist du, Gray Bondurant?«
»Ich? Ich bin niemand.«
»Stimmt nicht«, sagte sie schläfrig. »Du bist jemand.«
»Schlaf jetzt.«
»Du brauchst auch Schlaf. In diesem Bett ist Platz genug für uns beide.«
Er konnte unmöglich zu ihr unter die Decke kriechen, ohne der Verlockung dieser Haut, dieser Stimme zu erliegen. »Ich bleibe noch eine Weile hier sitzen.«
»Wozu?«
»Damit ich nachdenken kann.«
»Worüber?«
»Schlaf jetzt, Barrie.«
»Noch eine Frage?«
»Okay«, sagte er seufzend.
»Neulich in deinem Haus ⦠das war Sex ohne Verpflichtungen, stimmtâs?«
»Stimmt.«
Sie senkte kurz den Blick, dann sah sie wieder zu ihm auf. »Aber ziemlich phantastischer Sex.«
Er lächelte in der Dunkelheit. »Ziemlich phantastisch.«
»Aber du hast mich nicht geküÃt. Nicht auf die Lippen. Was hast du gegen Küsse auf den Mund?«
»Das sind zwei Fragen. Gute Nacht.«
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»George?«
Die Stimme seiner Frau schien von einer fernen Küste über ein Meer von Scotch hinweg an sein Ohr zu dringen. Dr. Allan hob den Kopf und sah Amanda als Silhouette in der offenen Tür seines Arbeitszimmers stehen. Er fand sie schön, begehrenswert und stark. Er konnte ihren Anblick nicht ertragen. Ihre Stärke betonte seine Schwäche.
Sie kam herein. Als sie den Schreibtisch erreichte, griff sie nach der Flasche und überzeugte sich davon, daà sie nur noch einen Rest Scotch enthielt. Selbst in seinem benebelten Zustand entging ihm ihr stiller Tadel nicht.
»Was gibtâs, Amanda?« fragte er nörglerisch.
»Du kennst mich also noch. Das ist erfreulich. Erinnerst du dich zufällig auch, daà du zwei Söhne hast?«
»Spielen wir Rätselraten?«
»Dein älterer Sohn zieht sich jeden Tag ein biÃchen weiter in sich selbst zurück. Ich habe ihn angefleht, mir zu sagen, was ihn bedrückt, aber er reagiert mürrisch und antwortet nicht. Seine Lehrer haben in letzter Zeit ähnliche Erfahrungen gemacht. Er friÃt seine Probleme in sich hinein und läÃt niemanden an sich heran. Er ist dir so ähnlich, daà es mir richtig angst macht.
Ich komme gerade vom Bett deines jüngeren Sohns und habe sein Nachtgebet gehört. Er hat den lieben Gott gebeten, Daddy zu helfen; dann hat er zu weinen angefangen, und ich muÃte ihn im Arm halten, bis er eingeschlafen ist.«
George rieb sich die müden, blutunterlaufenen Augen. »Ich gehe später rein und gebe ihnen einen GutenachtkuÃ.«
»Du begreifst nicht, worum es geht. Ich will nicht, daà du
ihnen einen Gutenachtkuà gibst. Nicht in deinem momentanen Zustand. Die beiden sind nicht dumm, weiÃt du. Sie spüren, daà mit dir irgend etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist und daà es nicht nur deine Trinkerei
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