Blindes Vertrauen
würden.«
Die Stimme kannte er. Sie gehörte Dr. Dexter Leopold, dem ehemaligen Gesundheitsminister, der jetzt Direktor von Tabor House war. »Hallo, Dex. Wie gehtâs meiner Tochter?«
»Ich will ganz ehrlich sein, Clete. Ihr Zustand war ernst, als Dr. Allan sie hergebracht hat. Ihre Medikamente haben nicht angeschlagen, weil sie zuviel Alkohol getrunken hat. Aber inzwischen
hat ihr Zustand sich stabilisiert, und sie befindet sich auf dem Weg der Besserung.«
»Sorgen Sie dafür, daà sie die beste Behandlung bekommt, Dex.«
»Das versteht sich von selbst.«
»Ich will, daà sie von mehreren Ãrzten betreut wird, nicht nur von Allan.«
Am anderen Ende entstand eine kurze Pause. »Das ist ein biÃchen heikel, Clete.«
»Mir ist scheiÃegal, wie heikel es ist!«
»Dr. Allan ist ihr behandelnder Arzt. Solange Mrs. Merritt ihn nicht ablöst â oder Präsident Merritt, falls sie die Entscheidung nicht selbst treffen kann â, muà ich ihn als den für ihren Fall zuständigen Arzt anerkennen.«
Dex Leopold galt allgemein als Ehrenmann, aber David konnte ihn irgendwie in der Hand haben. Würde Dr. Leopold bewuÃt die Augen verschlieÃen, wenn George Allan dafür sorgte, daà Vanessas Zustand sich stetig verschlechterte? »Wie komme ich nach Tabor House?« fragte Clete. »Ich möchte sie morgen besuchen.«
»Das kann ich leider nicht gestatten, Clete«, widersprach der Klinikdirektor mit sanftem Nachdruck. »Sie kennen unser Prinzip. AuÃer Patienten und Personal hat hier grundsätzlich niemand Zutritt. Nur so können wir die Privatsphäre unserer Patienten schützen und die Integrität der Klinik aufrechterhalten. Besuche von Angehörigen können Rückfälle auslösen â vor allem bei Patienten, die körperlich schon genesen sind und sich in der psychischen Aufbauphase befinden.«
»Hören Sie, Dex, Sie können doch bestimmtâ¦Â« »Tut mir leid, Clete, da gibtâs keine Ausnahme. Nicht einmal der Präsident darf Mrs. Merritt besuchen, obwohl er bei jedem Anruf um Besuchserlaubnis gebeten hat. Wenn ich ihn abweise,
muà ich auch Sie abweisen. Glauben Sie mir, für Mrs. Merritt ist das am besten.«
Clete sah rasch zu David hinüber, der ihn gleichmütig beobachtete.
»Also gut«, stimmte Clete zu. »Ich will, daà Vanessa wieder ganz gesund wird. Sie hat unter dem Tod ihres Babys sehr gelitten.«
»Das habe ich von Präsident Merritt erfahren. Er bedauert, sie nach dem Tod des Babys nicht zu einer Therapie überredet zu haben. Wäre sie damals betreut worden, hätte diese Krise sich vielleicht vermeiden lassen. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wir geben sie Ihnen heil und gesund zurück.«
»Hoffentlich, wenn Sie wissen, was gut für Sie ist«, sagte Clete noch, bevor er auflegte.
»Zufrieden?« fragte David.
»Nein, durchaus nicht.« Clete marschierte durchs Oval Office zur Tür. »Nimm dich in acht, David! Mir ist es egal, wie viele Leute du in der Hand hast, damit sie für dich lügen und deine Schmutzarbeit erledigen. Ich will meine Tochter zurück, sonst kannst du was erleben! Vor einigen Wochen habe ich dich daran erinnert, daà ich dich hier reingebracht habe und dich wieder rausbefördern kann.« Er schnippte dicht vor der Nase des Präsidenten mit den Fingern. »Einfach so.«
37. Kapitel
Lange vor Tagesanbruch ging Clete in die Küche hinunter, um sich eine Tasse Kaffee einzugieÃen. Bevor er abends zu Bett ging, stellte er stets den Zeitschalter der Kaffeemaschine ein.
Diese erste dampfende Tasse weckte jedesmal liebgewonnene Erinnerungen an seine Kindheit, bevor er gewuÃt hatte, wie man Politik schreibt, oder auch nur die Bedeutung dieses Wortes gekannt hatte, bevor er die Erfahrung gemacht hatte, daà manche Männer Ehrgeiz und Geldgier über ihre Ehre stellten, bevor er selbst einer dieser Männer geworden war.
Sein Vater war ein groÃer, starker, ruhiger Mann gewesen, für den es undenkbar gewesen wäre, eine Straftat zu begehen, um damit eine andere zu vertuschen. Er war nur bis zur dritten Klasse in die Schule gegangen, aber er kannte alle Sternbilder und konnte die Punkte soeben gespielter Dominosteine in Rekordzeit zusammenzählen. Er geriet nicht rasch in Zorn, war aber schnell bereit, sich bei einer Auseinandersetzung auf die Seite des
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