Blindes Vertrauen
Aufmerksamkeit
hat mir natürlich geschmeichelt, aber ich habe sie trotzdem als merkwürdig empfunden. Er war von meiner Serie begeistert â vor und erst recht nach der Ausstrahlung. Ich meine, du brauchst bloà an die Blumen zu denken. Wenn er sich die gespart hätte, hätte er die Staatsverschuldung enorm drücken können.«
»Aber das widerlegt deine Theorie doch, oder? So hätte er dir und deiner Serie nicht gegenübergestanden, wenn sie ein ungünstiges Licht auf seine Frau geworfen hätte.«
»Mich hat nur diese Vertraulichkeit gewundert. Ich berichte seit langem über das WeiÃe Haus. Warum sind der Präsident und ich dann plötzlich ein Herz und eine Seele?«
»Barrie, du bist Journalistin. Er ist ein Amtsinhaber, der nächstes Jahr wiedergewählt werden möchte. Gewinne die Medien für dich, gewinne die Wahl.«
Sie muÃte zugeben, daà Dailys Erklärung plausibel klang. David Merritt hatte es schon als junger KongreÃabgeordneter verstanden, erfolgreich um die Medien zu werben. Die Liebesaffäre hatte auch während seiner Präsidentschaftskandidatur angehalten. Obwohl diese Romanze seither etwas verblaÃt war, blieb die Berichterstattung überwiegend positiv. Aber Barrie Travis war eine kleine Reporterin, die null Einfluà hatte. Warum tat er ihr schön?
Seit ihrer ersten Begegnung mit Vanessa Merritt flitzten ihre Gedanken von einem Rätsel zum nächsten. Sie wagte nicht, sich allzulange mit einem zu beschäftigen, weil sie überall Fallstricke fürchtete.
»Wäre nicht eine Sache passiert, könnte ich die Ungereimtheiten vermutlich mit einem Schulterzucken abtun und nachts trotzdem ruhig schlafen«, berichtete sie Daily. »Und das ist der wahre Hammer, finde ich. Nach dem Interview hat sie mich umarmt. Mich .«
Daily spielte weiter den Advocatus Diaboli. »Ein geschickter PR-Trick.«
»Nein, es war ein Vorwand.«
»Wofür?«
»Damit sie nahe genug an mich herankommen konnte, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, das niemand hören sollte. âºBarrie, bitte helfen Sie mirâ¹, hat sie gesagt. âºBegreifen Sie nicht, was ich Ihnen zu sagen versuche?â¹Â«
»Verdammt!«
»Genau das habâ ich mir auch gedacht, Daily. Das war an diesem Tag ihre erste und einzige aufrichtige Gefühlsregung. Ihre Stimme hat echt verzweifelt geklungen. Was kann sie bloà damit gemeint haben?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Es könnte heiÃen: Helfen Sie mir, daà mein Mann wiedergewählt wird. Oder: Helfen Sie mir, die Erforschung des Krippentods voranzutreiben. Oder: Helfen Sie mir, meinen Schmerz zu überwinden. Es könnte alles oder nichts bedeuten.«
»Wenn es nichts bedeutet, war es eben nichts«, sagte Barrie. »Aber wenn es etwas bedeutet, sind die möglichen Auswirkungen explosiv.«
Daily schüttelte den Kopf. »Ich bin noch keineswegs überzeugt. Wozu sollte sie ihr Baby umbringen, nachdem sie sich so darauf gefreut hat?«
»Ich dachte, das sei geklärt. Münchhausen-Syndrom.«
»Dafür hat sie nicht das richtige Persönlichkeitsprofil«, widersprach Daily. »Frauen, die an diesem Syndrom leiden, sehnen sich fast immer nach Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Was das Medienecho betrifft, da hat Vanessa Merritt selbst Lady Di hinter sich gelassen. Sie genieÃt mehr Aufmerksamkeit als jede andere Frau der Welt.«
»Aber bekommt sie sie auch von dem, der wirklich zählt?«
»Du meinst ihren Mann? Hältst du sie für eine vernachlässigte Ehefrau, die das getan hat, um ihn mal tüchtig wachzurütteln?«
»Möglich wärâs doch.«
»Entfernt möglich.«
»Aber immerhin möglich«, betonte Barrie. »Du brauchst nur an das Mitgefühl zu denken, mit dem Jackie Kennedy überhäuft wurde, als der kleine Patrick gestorben ist. Man hat sie zu einer Lichtgestalt hochstilisiert.«
»Doch nicht nur, weil ihr Baby starb!«
»Aber diese Tragödie hat zu der Legende beigetragen, die sie später geworden ist. Vielleicht möchte die jetzige First Lady sich mit einer ähnlichen Aura umgeben.«
»Nächste Theorie«, verlangte Daily mit einer wegwerfenden Handbewegung.
»HIV. Was ist, wenn einer der beiden mit dem Virus infiziert ist? Ein Aidstest bei dem kleinen Robert hätte positiv ausfallen können. Mrs. Merritt konnte der
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