Blindes Vertrauen
nichts mehr von Spencer Martin gehört oder gesehen â seit meinem Weggang aus Washington. Aber einen Tag nach Ihrem Besuch ist er bei mir aufgekreuzt.«
»Zufall?«
»Nein. Er hat mich aufgesucht, weil er gewuÃt oder erraten hat, daà Sie bei mir waren, um mich über Vanessa auszufragen.«
»Was haben Sie ihm erzählt? Ãber mich, meine ich.«
Gray wuÃte, warum sie das gefragt hatte: Sie wollte wissen, ob er seinem Kumpel gegenüber mit seiner neuesten Eroberung geprahlt hatte. Die Hand, in die sie ihn vorhin gebissen hatte, pochte noch immer schmerzhaft. Gleich bei der ersten Begegnung hatte sie ihn ins Gesicht geschlagen. In mancher Beziehung war diese Barrie Travis frech und mutig. Aber im Augenblick wirkte sie sehr verwundbar, und auÃerdem war soeben ihr Hund gestorben, daher verzichtete er auf diese perfekte Gelegenheit, sie erneut in Verlegenheit zu bringen.
»Ich habe Spence erzählt, daà Sie mich auszuhorchen versucht haben, weil Sie die verrückte Idee haben, Vanessa habe ihr Baby ermordet und die Tat als plötzlichen Kindstod ausgegeben.«
»Das haben Sie ihm erzählt?« rief sie aus. »Kein Wunder, daà sie mein Haus angezündet haben!«
»Hätte ich geleugnet, etwas zu wissen, hätte er diese Lüge sofort durchschaut, deshalb muÃte ich zunächst mitspielen. Aber mir war sofort klar, daà Sie auf etwas gestoÃen sein muÃten. Andernfalls wäre Spence kaum nervös genug gewesen, um nach Wyoming zu kommen und herauszukriegen, was ich weiÃ.«
»Wissen Sie bestimmt, daà das der Zweck seines Besuchs war?«
»Ja«, antwortete Bondurant. »In seiner Jackentasche hat ein gewöhnliches Flugticket nach Jackson Hole und zurück gesteckt.«
»Und?«
»Nun, mir hat Spencer erzählt, er sei im Auftrag des Präsidenten nach Seattle unterwegs. Dafür hätte er normalerweise eine Maschine der Luftwaffe benützt. Und sein Ticket war auf einen falschen Namen ausgestellt. In Jackson Hole hat er sich dann unter einem weiteren falschen Namen einen Leihwagen genommen. Er hatte nie die Absicht, nach Seattle zu fliegen. Nein, Miss Travis, das war kein Freundschaftsbesuch. Ihre Story kann dem Präsidenten extrem gefährlich werden, und er wird nichts unversucht lassen, um die Veröffentlichung zu unterbinden.«
»GroÃer Gott!« flüsterte sie und hob ihre blutleeren Finger an die Lippen. »Ich begreife erst jetzt, was⦠Ich hatte recht. Das arme Baby ist keinen plötzlichen Kindstod gestorben.«
»Wann haben Sie das zum ersten Mal vermutet?« Aber sie starrte ins Leere. »Miss Travis?«
»Entschuldigung«, murmelte sie und rieb sich die Schläfen. »Meine Hypothese von jemand anderem zu hören, macht sie real. Die Konsequenzen sind erschütternd â und erschrekkend.«
»Vor allem für den Mann im WeiÃen Haus. Erzählen Sie mir mehr davon«, forderte Gray sie auf. »Was hat Sie auf die Idee gebracht, da sei etwas nicht in Ordnung?«
»Vanessa hat mich aus heiterem Himmel angerufen und wollte sich mit mir treffen. Ich habe mit einem Blick erkannt, daà sie sich praktisch nur mit reiner Willenskraft auf den Beinen gehalten hat.«
Er hörte gespannt zu, als Barrie ihm schilderte, was nach dieser ersten Begegnung passiert war und wie sie ihre Serie produziert hatte.
»Die habe ich gesehen â zumindest den Teil mit dem Interview mit Vanessa.«
»Die Vanessa Merritt, die ich vor laufender Kamera interviewt habe, war völlig anders als die Elendsgestalt, die ich einige Wochen zuvor kennengelernt hatte.«
»Das überrascht mich nicht«, antwortete Gray. »Vanessa ist manisch-depressiv.«
Er sah, wie ihre vollen Lippen sich überrascht öffneten. »Wissen Sie das sicher? Wann ist das festgestellt worden?«
»Schon vor Jahren. Kurz nach ihrer Hochzeit, glaube ich.«
Barrie war sichtlich verblüfft. »Wie haben sie das so lange geheimhalten können?«
»Weil sie unter ärztlicher Aufsicht steht und sorgfältig überwacht wird. Ihre manischen Perioden haben sie zu einer ausgezeichneten Wahlkämpferin gemacht. Sie war immer obenauf. Natürlich bekommt sie Lithium zur Dämpfung ihrer Gefühlsschwankungen, die man nur wahrnimmt, wenn man sie ziemlich gut kennt. AuÃerdem bekommt sie Antidepressiva und
Antipsychotika. Solange sie ihre Medikamente
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