Blindlings
Akten?«
»Zum Teufel!« brüllte er. »Soll das ein Witz sein?« »Ich brauche die Information«, wiederholte ich geduldig. Ich hatte Taggart am Wickel, was er auch wußte. Das elektronische Gerät war in meinem Besitz, und er hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich saß am längeren Hebel. Er würde mir keine anscheinend unwichtige Information vorenthalten. Immerhin versuchte er es. »Das braucht Zeit«, wandte er ein. »Rufen Sie mich wieder an.«
»Sie machen wohl Witze«, höhnte ich. »Bei der Menge Computer im Büro wachsen Ihnen die Elektronen nur so aus den Ohren. Sie müssen nur auf einen Knopf drücken, und die Antwort kommt in zwei Minuten. Nun machen Sie schon.«
»Na gut«, sagte er verärgert. »Bleiben Sie am Apparat.« Er hatte allen Grund, ärgerlich zu sein - normalerweise spricht man nicht so mit seinem Boß. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was sich nun abspielen würde. Der Computer würde den Mikrofilm in aller Schnelle vergrößern, und der interne Fernsehmonitor würde ihm die Antwort in knapp zwei Minuten auf den Schreibtisch liefern, vorausgesetzt, er hatte das richtige Schlüsselwort gewählt. Alle bekannten Agenten der Gegenseite waren mit allen bekannten Details auf diesem Mikrofilm aufgeführt, so daß ihre Lebensläufe ausgebreitet dalagen wie aufgespießte Schmetterlinge in einer Vitrine. Scheinbare Bagatellen aus dem Dasein eines Mannes konnten überaus nützlich sein, wenn man sie sich zum richtigen Zeitpunkt oder an der richtigen Stelle ins Gedächtnis rief.
»Ich hab’s.« Taggarts Stimme klang sehr weit entfernt. Die Störgeräusche waren jetzt viel ausgeprägter. »Sprechen Sie lauter - ich kann Sie kaum hören. Ich möchte wissen, ob und was er trinkt.« Taggarts Stimme drang nun etwas lauter an mein Ohr.
»Kennikin scheint ein Puritaner zu sein. Er trinkt nicht, und seit seinem letzten Rencontre mit Ihnen geht er auch nicht mehr mit Frauen aus.« Seine Stimme klang grimmig.
»Anscheinend haben Sie ihm sein einziges Vergnügen im Leben ruiniert. Seien Sie lieber vorsichtig, wenn…« Der Rest des Satzes ging im Lärm unter. »Wie war das?« rief ich.
Das Geknatter im Hörer ließ Taggarts Stimme gespenstisch hohl klingen. »… soviel wir wissen… Kenni… Island… er ist…«
Mehr war nicht zu verstehen, aber es reichte. Vergeblich versuchte ich, die Verbindung wiederherzustellen, es war nichts mehr zu machen. Elin deutete in Richtung Westen, wo sich schwarze Wolken am Himmel zusammenballten. »Der Sturm zieht nach Osten. Du mußt warten, bis der Sturm vorüber ist.«
Ich legte den Hörer auf. »Dieser Drecksack Cooke. Ich hatte recht.« »Was meinst du damit?«
Ich blickte zu den Wolken, die sich über Dyngjufjöll zusammenbrauten. »Ich mache mich aus dem Staub«, sagte ich.
»Uns bleiben vierundzwanzig Stunden, und die will ich nicht ausgerechnet hier verbringen. Laß uns zur Askja fahren, bevor der Sturm richtig losgeht.«
Viertes Kapitel
1
Die große Caldera der Askja ist schön - aber nicht bei Sturm.
Der Wind peitschte das Wasser des Kratersees auf, und es goß wie aus Kübeln. Vermutlich hatte der alte Odin gerade den Stöpsel aus dem Himmel gezogen. Es war unmöglich, zum See hinunterzukommen, bevor der vom Wasser schlüpfrig gewordene Boden trocken war. Wir bogen vom Fahrweg ab und blieben innerhalb der Kraterwand stehen.
Es soll Leute geben, die schon bei dem Gedanken, sich innerhalb eines immer noch aktiven Vulkans aufzuhalten, Zustände kriegen. Aber da die Askja sich 1961 mehr als bemerkbar gemacht hatte, war anzunehmen, daß sie sich jetzt, abgesehen von kleineren Ausbrüchen, ruhig verhalten würde.
Wir waren also ziemlich sicher, wenn man den Statistiken Glauben schenken durfte. Ich öffnete das Dach des Land-Rovers, um nach oben mehr Platz zu haben, und bald brutzelten auch die Lammkoteletts auf dem Grill, und Eier zischten in der Pfanne. Wir waren trocken, warm und behaglich.
Während Elin die Eier briet, sah ich nach dem Benzin. Im Tank waren gut siebzig Liter, und weitere achtzig hatten wir in vier Kanistern bei uns, was für rund tausend Kilometer auf guten Straßen reichte. Aber hier, im Öbyggdii, gab es eben keine guten Straßen, und wir konnten von Glück reden, wenn wir für hundert Kilometer keine zwanzig Liter brauchten. Die vielen Steigungen und die Unebenheit des Bodens machten häufiges Schalten erforderlich, was Unmengen von Benzin verschluckt, und die nächste Tankstelle lag weit unten im Süden. Trotzdem schätzte ich,
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