Blindlings
sein können.« Ich steckte das Messer in den Hosenbund.
Elin sank auf die Knie. »Bist du ganz sicher?« »Völlig. Wie sonst sollte ein neuer Reifen plötzlich einen Platten haben?«
Ich stand auf und betrachtete den Bergrücken. »Ich werde den Drecksack aus seinem Versteck treiben. Ich glaube, ich weiß, wo er ist.« Ich zeigte auf eine rund anderthalb Meter hohe Spalte am Ende der Felswand. »Geh dort hinein und warte.
Rühr dich nicht, bis du mich rufen hörst - und paß ja auf, daß ich es auch wirklich bin.«
»Und wenn du nicht zurückkommst?« fragte sie ängstlich.
Sie war sehr realistisch. »In diesem Fall bleibst du, wenn sonst nichts weiter passiert, in der Spalte, bis es dunkel ist.
Dann rennst du zum Land-Rover hinüber und machst dich aus dem Staub. Sollte Kennikin aufkreuzen, so vermeide auf alle Fälle, in sein Blickfeld zu geraten.« Ich lächelte sie aufmunternd an. »Aber ich werd schon zurückkommen.«
»Mußt du überhaupt gehen?«
Ich seufzte. »Wir sitzen in der Falle, Elin. Jedenfalls so lange, wie dieser Spaßvogel da oben mit dem Gewehr auf den Land-Rover zielt. Was soll ich denn sonst tun? Hier warten, bis Kennikin eintrifft, und mich ihm ergeben?« »Aber du bist doch nicht bewaffnet.« Ich tippte an den Messergriff. »Das reicht.
Nun tu, was ich dir gesagt habe.« Ich begleitete sie bis zur Felsspalte und half ihr hinein. Sehr bequem konnte es dort nicht sein. Die Spalte war ungefähr einen halben Meter breit und, wie gesagt, knapp anderthalb hoch. Sie mußte sich ducken
- doch fand ich, daß es Schlimmeres gibt als solche Unbequemlichkeiten.
Jetzt mußte ich überlegen, wie ich am besten vorging. Der Bergrücken war von kleinen Schluchten durchzogen, die das Wasser in den weichen Fels genagt hatte. Das war eine Chance, hinaufzuklettern, ohne von oben gesehen zu werden. Es kam darauf an, zu einer Stelle zu gelangen, die über der lag, wo ich das Glitzern bemerkt hatte. Im Krieg - und dies war Krieg - ist immer der im Vorteil, der einen höheren Punkt erreicht hat als der Gegner. Ich hielt mich links und blieb dicht am Felsen. Es gab dort eine rund sieben Meter lange, tiefe, nach oben führende Rille, die mir jedoch nichts nützte, weil sie ein erhebliches Stück unterhalb des Bergrückens endete. Die nächste war besser, weil sie bis beinahe an den Grat führte. Ich begann sie hochzuklettern.
Früher, während meines Trainings, mußte ich auch Kletterunterricht nehmen. Mein Ausbilder hatte einmal etwas sehr Weises gesagt: »Folgen Sie nie einem Wasserlauf, weder auf-noch abwärts.« Die Begründung war durchaus einleuchtend gewesen. Wasser fließt auf dem schnellsten Weg bergab, und der schnellste ist meistens auch der steilste. Es ist viel besser, sich an die kahlen Bergwände zu halten und die vom Wasser gebildeten Schluchten zu meiden. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel – es gibt Fälle, in denen man gezwungen ist, eine steile, schlüpfrige ausgewaschene Rille im Felsen hinaufzuklettern, damit man keine Kugel in den Kopf kriegt. Die Wände dieses ausgetrockneten Bachbetts waren jeweils gut drei Meter hoch. Es bestand also keine Gefahr, gesehen zu werden. Aber weiter oben wurden sie niedriger, und am Ende waren sie nur noch einen guten halben Meter hoch, so daß ich gezwungen war, bäuchlings
aufwärtszurobben. Oben angelangt, mußte ich mich meiner Berechnung nach oberhalb des Heckenschützen befinden, und daher wagte ich es, meinen Kopf hinter einem Brocken zerklüfteter Lava hervorzustrecken. Tief unter mir auf dem Weg stand einsam der Land-Rover. Ungefähr siebzig Meter weiter rechts und gut dreißig Meter tiefer mußte die Stelle sein, an der sich meiner Berechnung nach der Scharfschütze aufhielt. Die Findlingsblöcke, die aus der sandigen Oberfläche des Grats ragten, versperrten mir die Sicht - aber ihm auch.
Diese Blöcke waren genau das richtige, um mich an ihn heranzupirschen.
Ich ging mit äußerster Vorsicht vor, denn ich mußte damit rechnen, daß ich es nicht nur mit einem Mann zu tun hatte.
Zum Teufel, vielleicht trieb sich ein rundes Dutzend von ihnen hier oben herum! Ich versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, und beobachtete eine Weile lang sehr genau jeden einzelnen Felsbrocken. Nichts rührte sich. Vorsichtig robbte ich aus der Schlucht heraus und auf die Felsbrocken zu. Dort hielt ich inne und lauschte wieder angestrengt. Nur das ferne Murmeln des Flusses unter mir war zu hören. Ich kletterte höher, um einen riesigen Felsbrocken
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