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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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geklemmt hatte, zwar raffiniert
gemacht war, aber ziemlich brutal aussah. Es war, als würde er damit das Werk - und dessen Autor - in Fesseln schlagen.
    Draußen erwartete uns ein Novembernachmittag - mild, ruhig, erwartungsvoll. Der makellose Himmel bog sich von einem Horizont zum anderen wie eine durchsichtige Kuppel, ohne jede Wolke, ohne einen einzigen Vogel oder ein Flugzeug.
    Die Bäume am Straßenrand standen so reglos da wie Kunststoffattrappen in einem luftlosen Diorama. Kein Ast zitterte, kein Blatt flüsterte.
    Nicht einmal ein Auto kam vorbei. Milo und ich waren die einzigen Menschen weit und breit.
    Ich kam mir vor wie in einer gläsernen Schneekugel, nur ohne Schnee.
    Eigentlich hätte ich mich gern noch einmal umgeblickt, um festzustellen, ob Shearman Waxx uns durchs Fenster hindurch beobachtete. Ich zwang mich jedoch, mich nicht umzudrehen, und ging stattdessen auf meinen Wagen zu, Milo an der Hand.
    Auf der Heimfahrt brütete ich ständig über das einzelne Wort, das der Kritiker geäußert hatte, bevor er die Herrentoilette verlassen hatte. Er hatte mich mit seinen fürchterlichen kastanienbraunen Augen fixiert und in ernstem Bariton gesagt: »Verdammnis.«

6
    An jenem Nachmittag arbeitete Penny an einem Bild für ihr nächstes Kinderbuch, während Milo und Lassie an einer Zeitmaschine, einem Todesstrahl oder etwas Ähnlichem bastelten. Ich saß in meinem Arbeitszimmer auf dem Sessel und las »Ein guter Mensch ist schwer zu finden« von Flannery O’Connor, eine Kurzgeschichte, die ich sehr bewunderte.
    Es handelt sich um einen der beunruhigendsten literarischen Texte, die je geschrieben wurden, und man ist davon beim zehnten Mal genauso betroffen wie beim ersten. Inzwischen las ich die Geschichte wahrscheinlich schon zum zwanzigsten Mal, aber die Autorin schaffte es, in mir eine noch größere Furcht zu wecken als je zuvor.
    Ich begriff nicht, wieso nicht vorhandene Spinnen an meinem Nacken entlangwuselten, wieso es mir kalt in die Eingeweide fuhr und wieso meine Handflächen feucht wurden, während ich mit zitternden Fingern umblätterte. In einem solchen Ausmaß hatte ich das weder bei diesem Text noch bei irgendeinem anderen erlebt. Später war mir der Grund dann nur allzu klar.
    Nachdem ich am Ende angekommen war und auf die Seite starrte, deren Buchstaben verschwammen, stieg in mir eine Unruhe auf, die eindeutig nichts mit der Geschichte zu tun hatte. Ich versuchte mir einzureden, dass dieses Gefühl mit meinen zukünftigen Berufsaussichten zu tun hatte. Schließlich hatte ich Grund zur Sorge, was Waxx in seiner Rezension meines nächsten Romans schreiben würde, denn schon der unheilvolle
Tonfall, mit dem er das Wort Verdammnis ausgesprochen hatte, verhieß nichts Gutes.
    Allerdings konnte das nicht der einzige Grund für die namenlose Sorge sein, die mir durchs Hirn kroch. Ich hatte meinen nächsten Roman noch nicht einmal fertig, und veröffentlicht werden sollte er erst in einem Jahr. Auf meine Bitte hin war der Verlag bestimmt bereit, Waxx kein Vorabexemplar zuzusenden. Wir hatten also genügend Zeit, uns eine Strategie auszudenken, wie man ihm beikommen konnte. Deshalb bezog sich mein Gefühlszustand offenbar auf eine näher liegende Gefahr.
    Im Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr. Als ich den Blick vom Buch hob und den Kopf auf die offene Tür zu drehte, sah ich im Flur Shearman Waxx vorbeigehen.
    Ich erinnere mich nicht daran, wie ich vom Sessel aufstand und das Buch aus den Händen fallen ließ. Es war, als hätte ich mich nur mittels meiner Vorstellungskraft innerhalb einer Tausendstelsekunde auf die Beine geholt.
    Nun stand ich da und konnte mir nicht vorstellen, mich zu bewegen. Der Schock hatte mich völlig gelähmt.
    Mein Herz schlug weiter so, wie es sich für jemanden gehörte, der lesend im Sessel saß. Ungläubige Verblüffung verhinderte jede angemessene Gefahrenreaktion.
    Die von Flannery O’Connor ersonnene Geschichte hatte mich offenbar in eine furchtsame Stimmung versetzt. In diesem veränderten Bewusstseinszustand hatten mich dann meine Sinne getäuscht und einen Eindringling heraufbeschworen, den es gar nicht gab.
    Schließlich hatte das Phantom nicht einmal zu mir hereingeblickt, wie der echte Waxx es doch bestimmt getan hätte, wäre er hergekommen, um mir aus irgendeinem Grund auf die Zehen zu treten. Vielleicht war Penny auf dem Flur vorbeigekommen,
und meine lebhafte Fantasie hatte sie zur Gestalt des Kritikers werden lassen.
    Allerdings war die

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