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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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kein einziges Nackenhaar sträubte, seufzte sie erleichtert auf. »Wenn das ein Scherz sein sollte, brauchst du jetzt’ne wirklich gute Pointe«, sagte sie.
    »Bleib hier bei ihm. Sobald ich draußen bin, klemmst du einen Stuhl unter den Türknauf.«
    »Was? Wieso denn?«
    »Falls jemand sagt, du sollst die Tür aufmachen, tu es nicht, selbst wenn er sich anhören sollte wie ich.«
    »Cubby …«
    »Stell erst einmal eine Frage, auf die nur ich die Antwort weiß, zum Beispiel, wo wir an unserem ersten gemeinsamen Abend waren. Wahrscheinlich kann er meine Stimme zwar nicht imitieren - schließlich ist er kein Superschurke aus einem Comicheft -, aber man weiß nie.«
    »Um wen geht es eigentlich? Was ist denn los mit dir?«
    »Jemand ist bei uns eingedrungen. Ich glaube, inzwischen ist er fort, aber sicher bin ich mir nicht.«
    Pennys Augen wurden so groß wie die einer Maus, die plötzlich den Schatten einer herabstoßenden Eule wahrnimmt. »Ruf die Polizei!«
    »Um die Sorte Eindringling handelt es sich nicht.«
    »Es gibt keine andere Sorte.«
    »Außerdem habe ich ihn mir womöglich bloß eingebildet.«

    »Hast du ihn nun gesehen oder nicht?«
    »Ich habe etwas gesehen.«
    »Dann ruf die Polizei.«
    »Ich bin bekannt wie ein bunter Hund. Wenn die Polizei kommt, ist auch bald die Presse da, und dann geht ein regelrechter Zirkus los.«
    »Besser, als wenn du tot bist.«
    »Mir passiert schon nichts. Klemm den Stuhl unter den Türknauf!«
    »Cubby …«
    Ohne weitere Erklärungen trat ich in den Flur und zog die Tür zu. Ich wartete, bis ich hörte, wie Penny die Stuhllehne an Ort und Stelle fixierte.
    Auf sie war eben Verlass.
    Der gesunde Menschenverstand sagte mir, dass ein bekannter Kritiker und Lehrbuchautor wie Shearman Waxx wahrscheinlich kein Psychopath war. Exzentrisch war er durchaus und vielleicht sogar ziemlich verschroben, aber doch kein Mörder. Und der gesunde Menschenverstand in seinem wahren, herkömmlichen Sinn hatte mir viele Jahre lang gute Dienste geleistet.
    Dennoch griff ich mir von dem Tischchen im Flur eine hohe, schwere Vase mit dickem Bauch und schmalem Hals. Als Schmalspurathlet, der ich war, hielt ich sie, wie ich einen Tennisschläger gehalten hätte - unbeholfen.
    Neben Milos Reich gingen von diesem Teil des Flurs zwei kleine Gästezimmer, ein Bad und eine kleine Putzkammer ab. Rasch und leise zog ich eine Tür nach der anderen auf und spähte hinein, ohne allerdings jemanden zu finden.
    Als ich mich dem anderen, längeren Teil des Flurs zuwandte, wo sich unser Schlafzimmer, Pennys Studio und ein von uns als Lager genutzter Raum befanden, hörte ich von unten
her ein Geräusch. Es war ein kurzes Klappern, das aus der Küche stammte, denn es kam von der hinteren Treppe. Die darauf folgende Stille klang entschieden unheilvoll.
    Mit der Keramikvase in der erhobenen Hand kam ich mir vor wie der Held eines billigen Krimis, der bereit war, sein Heim mit jedem verfügbaren Gegenstand zu verteidigen. Vorsichtig stieg ich die Treppe hinunter.
    Wieder befand Waxx sich weder in der Küche noch im angrenzenden Esszimmer. Alles sah friedlich aus.
    Die Pendeltür zwischen Küche und Flur war geschlossen. Vorher war sie das nach meiner Erinnerung nicht gewesen.
    Als ich die Tür langsam aufzog, sah ich Waxx am anderen Ende des Flurs. Er kam von rechts aus meinem Arbeitszimmer und ging geradeaus in die Bibliothek.
    »He!«, rief ich ihm zu. »Was tun Sie da?«
    Ohne etwas zu erwidern oder mir wenigstens einen Blick zuzuwerfen, verschwand er durch die linke Tür.

8
    Ich überlegte, ob ich nun doch die Polizei rufen sollte, aber die Selbstverständlichkeit, mit der Shearman Waxx sich in unserem Haus umsah, kam mir allmählich eher merkwürdig denn bedrohlich vor. Wenn Hamal Sarkissian den Kritiker als »seltsam« bezeichnete, so meinte er damit wahrscheinlich »exzentrisch«.
    In seinen Rezensionen attackierte Waxx mit Worten, doch das hieß noch lange nicht, dass er zu echter Gewalt fähig war. Normalerweise traf eher das Gegenteil zu: Wer feindselige Tiraden von sich gab, stachelte damit womöglich andere dazu an, Verbrechen zu begehen, war jedoch meist ein Feigling, der selbst kein Risiko einging.
    Noch immer mit der Vase bewaffnet, bewegte ich mich vorsichtig durch den Flur, um Waxx in die Bibliothek zu folgen.
    In manchen wohlhabenden Stadtvierteln von Südkalifornien hielt man eine Bibliothek für ebenso notwendig wie eine Küche. Sie galt als Symbol für die Bildung der Bewohner. Allerdings

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