Blindwütig: Roman
verkümmern!«
»Ich esse absolut genug, Mom«, erklärte Penny, die sichtlich darauf wartete, wieder auf die Füße gesetzt zu werden.
»Du isst bestimmt kein Fleisch mehr!«, donnerte Clotilda. »Ach, Mädel, du bist zum Pflanzenfresser geworden.«
»Nein, Mom, das würde ich doch niemals tun!«
»Vegetarismus ist ungesund. Die lebenswichtigen Organe schrumpfen, das Gehirn wird schwach. Schau dir im Spiegel doch mal deine Zähne an. Du hast Schneidezähne und Eckzähne, die dazu gedacht sind, Fleisch zu zerreißen. Vegetarismus ist unnatürlich, er ist nicht richtig, er ist regelrecht gruselig .«
»Ich esse eine Menge Fleisch«, versicherte Penny. »Bei jeder Gelegenheit, die sich ergibt. Ich lebe geradezu dafür.«
»Oft Fleisch zu essen reicht nicht aus, wenn man bloß kleine Portionen isst«, sagte Clotilda, während sie meine Frau wieder abstellte.
Manchmal konnte ich kaum glauben, dass Grimbald und Clotilda eine so zierliche, gewandte und vergleichsweise zurückhaltende Tochter bekommen hatten wie Penny. Zwei der drei Hinweise darauf, dass sie tatsächlich von ihnen abstammte - ihr Haar, das so schwarz war wie das von Clotilda, und das Blau ihrer Augen, das dem von Grimbald entsprach - waren nicht vollständig überzeugend. Bewiesen war der Fall aus meiner Sicht nur dadurch, dass Penny trotz ihrer Körpermaße ebenso zäh und unbezähmbar war wie ihre Eltern.
Clotilda kam auf mich zu wie eine Walküre, die sich auf einen sterbenden Krieger stürzt, um seine Seele in Besitz zu nehmen. Ich hatte schon Angst, sie würde mich ebenfalls hochheben und auf den Arm nehmen.
Stattdessen gab sie mir einen Kuss auf die Wange. »Dich zu sehen erfreut mein Herz, Hildebrand!«
»Ganz meinerseits, Nancy.«
»Ach, das hab ich ganz vergessen - du möchtest ja lieber Cubby heißen.«
»Weil das mein Name ist. Du siehst großartig aus, Clotilda.«
»Tja, bevor ich schlafen gehe, lege ich jeden Abend ein kleines Seidensäckchen mit Thymianblättern unter mein Kopfkissen. Aber du machst dich auch ganz gut.«
Um ihr eine Freude zu machen und einer Standpauke zuvorzukommen, sagte ich: »Schließlich habe ich im letzten Monat fast eine halbe Kuh gegessen.«
»Brav, brav. Kühe sind ausgesprochen lecker.«
Damit wandte sie sich Milo zu, der noch immer auf dem Arm von Grimbald saß, und packte mit beiden Händen seinen Kopf. Dann bedeckte sie ihn an Stirn, Augen, Nase, Wangen, beiden Mundwinkeln und Kinn mit Küssen, wobei sie etwas auf Gälisch murmelte. Wahrscheinlich handelte es sich um irgendeinen Segen.
Zuletzt griff sie sich Lassie aus Milos Armen. Lachend hielt sie das Tier auf Armeslänge von sich, während sie sich mit fliegenden Röcken im Kreis drehte.
Hätte ich etwas in der Richtung getan, so hätte Lassie entweder angstvoll gewinselt oder mich mit gebleckten Zähnen knurrend zum Anhalten gezwungen. In Clotildas Händen grinste sie hingegen nicht vor Angst, sondern vor sichtlichem Vergnügen und wedelte dabei unablässig mit dem Schwanz.
Während Lassie, wieder abgesetzt, benommen umhertaumelte, hatte sich Clotilda vollständig unter Kontrolle und eilte zu ihrem Herd zurück, damit nichts anbrannte.
»Ihr bleibt zum Abendessen!«, verkündete Grimbald.
»Die haben schon gegessen«, sagte Clotilda, bevor wir etwas erwidern konnten. »Das habe ich an diesem Basilikumblatt gesehen.«
»Dann leistet ihr uns eben Gesellschaft«, sagte Grimbald, »und erzählt uns dabei genau, wie euer Haus in die Luft geflogen ist. Was wisst ihr über die Sprengmethode, wie hat es beim Einsturz ausgesehen, und wie haben sich die Trümmer arrangiert?«
»Sie sind gekommen, um sich Waffen zu besorgen«, sagte Clotilda.
»Hast du das etwa auch an deinem Blatt gesehen?«, fragte ich.
Penny deutete auf den Steinboden. »Wahrscheinlich wird sie jetzt behaupten, das könnte man am Muster der Wassertropfen sehen, die von Milos Regenmantel gefallen sind.«
»Du hast’s erfasst, Kleine!«, rief Clotilda und richtete erfreut ihren Kochlöffel auf Penny. »Also gibst du endlich zu, dass ich zumindest eine kleine wahrsagerische Ader habe?«
»Auf jeden Fall hast du eine dramatische Ader. Außerdem
gibst du dich gerne rätselhaft und bist ausgesprochen fürsorglich.«
»Wie kann eine Tochter nur so skeptisch sein! Aber ich mag dich trotzdem ungeheuer, Kleine.«
Grimbald setzte Milo endlich ab, sank auf ein Knie und half dem Jungen aus seinem Regenmantel. »Waffen?«, sagte er. »Damit sind wohl Schusswaffen gemeint. Aber ich
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