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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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mit Ihren Eltern geschehen ist. Es ist alles so … es ist furchtbar.«
    Als Clitherow weitersprach, war der Schmerz in seiner Stimme so scharf, dass sie mir in die Seele schnitt. »Gleich als die Polizei aus Michigan mich angerufen hat, um mir mitzuteilen, man hätte die übel zugerichteten Leichen meiner Eltern gefunden, habe ich von Waxx erzählt, von seiner Rezension und meiner toten Katze. Darauf hat man überhaupt nicht reagiert, Cullen. In keiner Weise. Warum? Und dann hat Waxx wieder angerufen. Er hat nur ›Wer kommt als Nächstes?‹ gesagt und aufgelegt. Ich wusste, dass er wahnsinnig war - und es ernst meinte. Das letzte Mal hatte er ›Verdammnis‹ gesagt, und nun waren meine Eltern tot. Aber wer würde mir Glauben schenken … und zwar so rechtzeitig, dass ich den Rest meiner Familie retten konnte? Die Polizei bestimmt nicht. Also bin ich mit Margaret, meiner Frau, und den beiden Mädchen geflüchtet. Ich wollte die drei irgendwo in Sicherheit bringen, bevor ich es noch einmal bei der Polizei versuchte. Dabei hat niemand uns verfolgt. Das weiß ich, verdammt noch mal!«

    Ich hörte ihn schwer schlucken, einmal, dann noch einmal.
    Als ich zu Penny hinübersah, hob sie die Augenbrauen. »Clitherow?«, fragte sie, und ich nickte.
    »Wir sind über hundert Meilen weit gefahren«, sagte Clitherow, »ohne Ziel, einfach weg von dem Ort, wo Waxx uns vermutete. Was ich spürte, war schlimmer als Angst, Cullen, es hatte nichts zu tun mit Vernunft oder Einbildung, es war reines Entsetzen. Meine Nerven lagen buchstäblich blank. Angst kann man durch einen Willensakt beherrschen, doch was ich da fühlte, war nicht beherrschbar. Aber schon nach hundert Meilen … fühlte ich mich besser. Mein Gott, ich fühlte mich sogar irgendwie in Sicherheit!«
    Der Regen wurde stärker und schien uns heftigeren Widerstand zu bieten als bisher. Penny stellte die Scheibenwischer um, deren Blätter nun mit leichtem Trommeln übers Glas sausten.
    »An einem billigen Motel haben wir haltgemacht«, fuhr Clitherow fort. »Ein Zimmer mit zwei kleinen Doppelbetten. Keine Unterkunft, wie wir sie gewohnt waren - weshalb sie uns noch sicherer vorkam, weil sie so anonym war. Margie und ich wollten dort über alles nachdenken und dann entscheiden, wie es weitergehen sollte. Emily und Sarah, unsere Töchter, waren erst sechs und sieben; sie wussten nicht, dass ihre Großeltern ermordet worden waren, aber da sie sensible Kinder waren, spürten sie genau, dass etwas nicht in Ordnung war.«
    Der scharfe Schmerz in seiner Stimme hatte sich zu einer tiefen Qual gesteigert, zu einer Verzweiflung, die noch tiefer in mich eindrang.
    »Wegen der Mädchen haben Margie und ich versucht, die Flucht als Urlaubsfahrt zu tarnen. Deshalb sind wir mit ihnen
in ein nettes Restaurant gegangen. Als wir wieder im Motel waren, sind die beiden rasch eingeschlafen, obwohl die Fernsehnachrichten liefen. Margie wollte sich unter die Dusche stellen. Sie hat die Badezimmertür geschlossen, damit das Rauschen des Wassers die Kinder nicht stört. Und ich … ich habe mir die Nachrichten angesehen.«
    Ein Tieflader donnerte an uns vorbei, zu schnell für die Straßenverhältnisse. Von dem nassen Pflaster stieg eine Wasserwand in die Luft. Die Scheibenwischer kamen nicht dagegen an, und viel zu lange waren wir geblendet. Alles, was vor uns lag, war einen Moment aus dem Blick verschwunden.
    »Ich dachte, in den Nachrichten würde etwas über meine Eltern kommen, aber das war nicht der Fall. Und dann … Margie blieb sehr lange im Bad. Ich klopfte, doch sie antwortete nicht. Als ich hineinging, um zu schauen, was mit ihr los war … da war sie nicht mehr da.«
    Clitherow stockte. Sein Atem ging rasch und flach. Ich hörte, wie er ihn bewusst unter Kontrolle brachte.
    Bei einem solchen Wetter hätte ich Penny normalerweise vorgeschlagen, auf den nächsten Parkplatz zu fahren und zu warten, bis der Regen nachließ. Aber in dieser einsamen Nacht anzuhalten kam mir wie eine Einladung an den Tod vor, und da war es mir lieber, halb blind durch den Wolkenbruch zu rasen.
    »Die Dusche lief, die Tür der Kabine stand offen«, hörte ich Clitherow sagen. »Margies Unterwäsche und ihr Bademantel lagen auf dem Boden. Dann sah ich das Milchglasfenster. Es war halb offen, und die Vorhänge bauschten sich im Wind. Wie hatte er Margie nur so leise, ganz ohne jede Gegenwehr, mitnehmen können? Benommen stieg ich durchs Fenster. Hinter dem Motel breitete sich ein Feld aus, ein endloses
Feld.

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