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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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Süden. Jerry Simons, mein Agent, lebte in Manhattan, aber er besaß ein großes Anwesen auf dem Land in Pennsylvania, wo er den Sommer verbrachte. Margie und ich hatten ihn einmal eine Woche lang besucht. Es war Mitte Juni, deshalb wusste ich nicht, ob er dort war. Als ich ihn auf dem Handy anrief, war er in New York. Da habe ich ihm vorgeflunkert, ich bräuchte etwas Einsamkeit, um meinen Roman zu vollenden. Das Haus stand momentan tatsächlich leer, und er hatte mir schon gezeigt, wo draußen ein Zweitschlüssel versteckt war. Innerhalb von drei Stunden waren die Mädchen und ich dort angelangt.«
    Die Art und Weise, wie John Clitherow seine Emotionen unter Kontrolle hielt, ließ mich ahnen, dass ich der Erste war, dem er diese Geschichte erzählte, und dass sein Bedürfnis, sich nach drei Jahren endlich jemandem zu offenbaren, inzwischen
übergroß geworden war. Das war jedoch offenbar nicht seine einzige Motivation. Er wollte mir etwas mitteilen, das mich womöglich vor einem Verlust, wie er ihn erlitten hatte, bewahrte.
    Als er jedoch zu seiner Erinnerung an jenes Haus in Pennsylvania kam, veränderte sich sein Tonfall. Die Dringlichkeit darin ließ ebenso nach wie das Schuldbewusstsein, das ich bisher wahrgenommen hatte. Die zunehmend heftigere Qual verwandelte sich in eine beklemmende Gleichgültigkeit; die Stimme wurde ausdruckslos und zäh.
    »In dieser Nacht konnte ich nicht einschlafen. Zerrissen von Gram, Schuld und Angst saß ich im Schlafzimmer auf einem Sessel, um die Mädchen zu bewachen. Ich verfluchte mich selbst und meine Hilflosigkeit. Selbsthass wirkt erschöpfend. Im Morgengrauen schlief ich in dem Sessel ein. Wachte auf und sah, dass die Mädchen verschwunden waren. Taumelte wie ein Betrunkener durchs Haus, um sie zu suchen. Kurz bevor ich sie im Wohnzimmer fand, hörte ich sie schreien.«
    Die scheinbare Gleichgültigkeit in Clitherows Stimme klang nicht stoisch, nicht nach bewusst unterdrückten Gefühlen. Es war Apathie, die sich darin ausdrückte, weil er offenbar einen emotionalen Umschlagpunkt erreicht hatte. Nachdem er allzu lange zu viel empfunden hatte, war er nun leer an Gefühlen und dem Wunsch, welche zu haben.
    »Im Wohnzimmer rannten Emily und Sarah, noch im Schlafanzug, schreiend und weinend auf mich zu. Ich breitete meine Arme aus, aber sie wichen mir aus, rannten weiter in die Küche und von dort die Treppe hoch. Da sah ich, dass sie ferngesehen hatten. Und auf dem Bildschirm sah ich … meine Frau, nackt an eine Wand gekettet. Sie war noch am Leben. Und ein Mann, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen
war, der hat sie … er hat sie … mit einem Messer aufgeschlitzt.«
    Während ich John Clitherow lauschte, wurde das Telefon in meiner Hand feucht und schlüpfrig. Ich hielt es fester.
    »Dann hörte ich die Mädchen nicht mehr schreien«, fuhr er fort. »Da bin ich hinaufgegangen, um sie zu suchen. Sie waren nicht in dem Zimmer, in dem sie geschlafen hatten, von mir bewacht. Auch im nächsten und im übernächsten Zimmer waren sie nicht. Im Erdgeschoss nicht und nicht im Garten. Sie waren fort. Ich habe sie nie wiedergefunden.«
    Plötzlich wollte ich, dass Penny die nächste Ausfahrt nahm, statt weiter in die geplante Richtung zu fahren. Wir waren keine Detektive, wir wussten nicht, wie man Beweise zusammentragen und jemanden überführen konnte. Und wenn wir an einen Ort fuhren, wo Waxx schon einmal zugeschlagen hatte, wenn wir in seiner Vergangenheit forschten, dann würde er uns leichter finden. Der Schatten eines Raubtiers war kein Ort, an dem die Beute sich verstecken sollte.
    John Clitherow wanderte weiter durch einen Albtraum, der durch den ausdruckslosen Tonfall seiner Stimme nicht an Grausamkeit verlor. »Ich schleppte mich ins Wohnzimmer zurück, wo meine Frau noch immer auf dem Bildschirm war. Und er, er folterte sie immer noch. Und auf dem Boden vor dem Fernseher lagen die Schlafanzüge meiner Töchter, die sie getragen hatten, als sie schreiend aus dem Zimmer gerannt waren. Er hatte sie mir zurückgegeben wie in der Nacht vorher den Ring meiner Frau. Ich versuchte, die DVD aus dem Spieler zu nehmen, aber da war keine DVD. Als ich es mit den anderen Sendern versuchte, starb sie auf allen. Da ist etwas in mir geschehen; ich erinnere mich gar nicht mehr genau, aber ich glaube, ich habe eine Stehlampe genommen und den Bildschirm zertrümmert. Dann fiel mir ein, dass Jerry im Haus
eine Pistole aufbewahrte. Ich suchte nach ihr, und als ich sie gefunden hatte, lud

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